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MEINUNG & MACHER

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BERLINER WIRTSCHAFT 11/17

gebildet und schloss ein Studium an der

Hochschule für Architektur und Bauwe-

sen in Weimar an, das sie als Diplom-

ingenieurin für Städtebau abschloss.

In Berlin müssen bis 2030 rund

194.000 Wohnungen errichtet werden,

um den Bedarf der wachsenden Stadt zu

decken. Doch bisher gibt es nur Areale für

179.000 Wohnungen. Sollten die am Flug-

hafen Tegel geplanten Flächen wegfal-

len, wird es noch knapper. Durch den Zu-

zug von 40.000 bis 50.000 Menschen im

Jahr ergibt sich bis 2021 – so die Senats-

analyse – ein Bedarf von jährlich 20.000

zusätzlichen Wohnungen. Um das Dilem-

ma zu lösen, wird aktiv mit „Verdichtung“,

Dachausbauten, Umnutzung und energeti-

scher Verbesserung des Bestands gearbei-

tet, zählte Lompscher auf.

„Ich mach

jetzt mal den Deckel drauf“

Auch die Wohnungsbauförderung Neu-

bau wurde 2014 wieder aufgenommen.

Doch es reicht noch immer nicht. „Wir

müssen auf eine ‚gesteuerte‘ Entwicklung

hinwirken. Die Berliner Liegenschaftspo-

litik sollte sich strategisch verhalten: nicht

nur Immobilien verkaufen, sondern auch

Flächen sichten und zur Nutzung bereit-

stellen“, erklärte Lompscher. Die soge-

nannte integrierte Stadtentwicklung be-

nötige permanent aktuelle Daten. So kön-

ne man sehen, dass großflächige

Parkplätze oder breit gebaute Super-

märkte nicht mehr zeitgemäß sind. Zahl-

reiche Fragen und Denkanstöße aus dem

Publikum begleiteten die lebhafte

Schlussdebatte, bis Eder sagte: „Ichmach

jetzt mal den Deckel drauf.“

O

bwohl Berlin auf ei-

ne lange, mit viel

Pionier- und In-

novationsgeist ausgestattete

Industrietradition zurück-

schaut, wird man das Ge-

fühl nicht los, dass der Stolz

auf diese Branche verloren-

gegangen ist. Die verbliebene

Anzahl von 120.000 Arbeits-

plätzen im Verarbeitenden

Gewerbe erscheint in Relati-

on zu insgesamt rund 1,4 Mio.

sozialversicherungspflichti-

gen Beschäftigungsverhält-

nissen in Berlin unbedeutend. Das Ergebnis einer IHK-Be-

fragung von Industrieunternehmen (siehe S. 40) zeichnet

ein anderes Bild.

Die oft zitierte Dienstleistungsmetropole Berlin lebt

nicht schlecht von der Verflechtung und gegenseitigen Be-

fruchtung der Industrie mit industrienahen Dienstleistern.

Absehbar wird die Digitalisierung diese Verflechtung wei-

ter verstärken. Aus Sicht von Wirtschaftswissenschaftlern

punkten deutsche Unternehmen am stärksten in der An-

wendung der meist jenseits des großen Teichs entwickel-

ten bahnbrechenden Technologien, und sie empfehlen, sich

auch in Zukunft darauf zu konzentrieren. Gemeint sind zum

Beispiel digitale Produktionsanlagen sowie deren Vernet-

zung und optimaler Energie- und Ressourceneinsatz.

Der Wandel der Industrie von rauchenden Schloten zur

stadtkompatiblen High-Tech-Produktion ist auf gutemWe-

ge. Das Zusammenspiel von Wissenschaft, Forschung und

Anwendung, wofür Berlin beste Voraussetzungen bietet, er-

öffnet Wege, Produktion und Arbeitsplätze wieder in die

Stadt zurückzuholen – Stichwort Smart Factory. Berlinwäre

schlecht beraten, sich solche

Chancen entgehen zu lassen.

Ein Masterplan Industrie,

der von der Vorgängerregie-

rung standhaft ignoriert wur-

de, soll nun nach demWillen

des Steuerungskreises In-

dustriepolitik einen zweiten

Frühling erleben. Es ist ein

notwendiges Zeichen, das

dem Stellenwert der Indus-

trie für Wachstum in Berlin

gerecht wird.

Auf solche Zeichenwartet

die Industrie auch mit Blick

auf die nachhaltige Flächensicherung für das Verarbeitende

Gewerbe. Unternehmen, die auf Grundstücken des Landes

Berlin imErbbaurecht produzieren und modernisieren oder

erweitern wollen, geraten bei Gesprächen mit der Bank zu-

nehmend in die Defensive. Grund dafür sind Pachtverträ-

ge mit überschaubarer Restlaufzeit. Die Banken sehen hier

ein nicht hinnehmbares Risiko und tun sich mit der Kre-

ditvergabe schwer. Ein Kaufangebot des Landes an die nut-

zenden Industrieunternehmen würde die erforderliche Si-

cherheit für Investitionen bringen und Perspektiven für die

Unternehmen öffnen. Dieses undweitere Themen diskutier-

te das Kompetenzteam auch bei seinem jährlichen Treffen

Ende September mit den wirtschaftspolitischen Sprechern

des Abgeordnetenhauses. Nähere Infos zum Kompetenz-

teamMittelstand

unterwww.ihk-berlin.de/kompetenzteam

Nachhaltige Flächensicherung für das

verarbeitende Gewerbe ist Voraussetzung

für Investitionen und Wachstum

Industrie

braucht Signale

MITTELSTANDSKOLUMNE

SEBASTIAN STIETZEL

Vorsitzender des Kompetenzteams

Mittelstand der IHK Berlin und Mitglied

des Vorstands der Lumaland AG

FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG