MEINUNG & MACHER
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BERLINER WIRTSCHAFT 11/17
V
or sechs Jahren hat André Glardon
seinen Arbeitsplatz in der Medizin-
technik-Industrie aufgegeben, um
ein Dienstleistungsunternehmen
zu gründen. Sein Ziel: Er will für die Radiologie
ein Betreibermodell nach dem Muster der Sha-
ring Economy etablieren. Die Idee „Radiology as
a Service“ kommt bei Ärzten und Krankenhäu-
sern gut an. Mittlerweile verdoppelt Medneo die
Zahl der Standorte von Jahr zu Jahr.
Berliner Wirtschaft:
Sehen Sie Ihr Unternehmen
noch als Start-up?
André Glardon:
Nein, wir sehen uns nicht mehr
als Start-up. Wir haben ja längst ein skalierbares
Geschäftsmodell gefunden und auch bewiesen,
dass es funktioniert. Wir sehen uns als ein jun-
ges, stark wachsendes Unternehmen.
Wie ist die Idee für Ihr Geschäftsmodell entstanden?
Wir sind drei Gründer, die alle aus der Medizin-
technik-Industrie kommen. Dort konntenwir be-
obachten, dass medizinische Großgeräte wie die
Magnetresonanztomografie längst nicht so aus-
gelastet sind, wie es möglich wäre. In fast keiner
anderen Branche sind so teure Geräte so schlecht
ausgelastet wie imGesundheitswesen. Außerdem
haben wir erlebt, dass es vermehrt Anfragen von
Krankenhäusern oder Ärzten gab, die einfach nur
klinische Bilder kaufen wollten, anstatt in teure
Geräte zu investieren – also eine Dienstleistung
suchten, statt Hardware zu kaufen.
Und das gab es nicht?
Nein, zu dieser Zeit hat sich die Industrie nicht als
Betreiber gesehen, sondern einzig als Geräteher-
steller. Wir fanden den Wunsch aber berechtigt:
Warum soll sich ein Arzt oder ein Krankenhaus
mit der Gerätetechnik, mit der IT, mit dem ge-
samten Prozess-Know-howund der Administra-
tion rund um die Geräte befassen? Das sind The-
men, die nicht zu der Kernkompetenz von Medi-
zinern oder Gesundheitseinrichtungen gehören.
Sie selbst sprechen von einem disruptiven Geschäfts-
modell. Ist der Gesundheitssektor bereit, sich mit ra-
dikalen Veränderungen auseinanderzusetzen?
Unsere Kunden sind insbesondere Ärzte und
Krankenhäuser, und bei denen besteht der
Wunsch, sich wieder stärker auf die Medizin –
also ihre eigentliche Kernkompetenz – zurück-
zubesinnen. Sie suchen nach Möglichkeiten, sich
von der komplexer werdenden Technik und der
IT, aber auch von der notwendigen Prozessop-
timierung und Administration zu befreien. Hin-
zu kommen bei unseren Kunden Investitions-
stau und immer größer werdender Kostendruck.
Und dafür haben Sie eine Lösung?
Wir bringen die Disruption ins Gesundheitswe-
sen, denn wir liefern pay-per-use die Bilder zum
richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Ärzte und
Krankenhäuser müssen nicht mehr selbst inves-
tieren, haben niedrigere operative Kosten als im
Eigenbetrieb, und auch das Risiko für den Betrieb
der Technikmuss nicht mehr selbst getragenwer-
den. Hinzu kommt, das die Selbstständigkeit als
Mediziner durch das Medneo-Konzept nicht ver-
loren geht. Das ist für sie verlockend.
Wie genau funktioniert das Geschäftsmodell?
Wir bauen und betreiben Diagnostikplattformen,
digitalisieren den gesamten radiologischenWork-
flow, investieren in die Geräte, führen durch ei-
gene IT-Entwicklungen ein Prozess-Manage-
ment-System ein und stellen das gesamte medi-
zintechnische sowie das administrative Personal
inklusive Empfangspersonal oder übernehmen
dies durch Betriebsübergang.Wir machen das be-
reits für eine Vielzahl von Ärzten im ambulanten
Bereich, für Krankenhäuser unterschiedlicher
»
André Glardon ist Mitgründer der Medneo GmbH, mit der er den Markt für
bildgebende Diagnostik disruptiv verändern will. Nach der Startphase will er nun
auch die internationale Expansion beginnen
»
Von Michael Gneuss
„Wir bringen die Disruption
ins Gesundheitswesen“
FOTO: AMIN AKHTAR
André Glardon
ist Mitgründer und
Geschäftsführer von
Medneo
Medizinische
Großgeräte
sind längst
nicht so
ausgelastet,
wie es möglich
wäre.
INTERVIEW DES MONATS