BERLINER WIRTSCHAFT 11/17
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UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Heimlicher Star derWirtschaft
Der Dienstleistungssektor in der Hauptstadt boomt – und dabei spielt die Industrie eine maßgebliche
Rolle. Das zeigt eine aktuelle Unternehmensbefragung der IHK Berlin
»
Von Markus Krause
E
s wirkt zunächst bescheiden:
Der Anteil an der Wertschöp-
fung beträgt rund zehn, der
an den Erwerbstätigen knapp
sieben Prozent. Ja, Berlins Verarbeitendes
Gewerbe ist relativ klein. Aber diese sie-
ben Prozent der Erwerbstätigen erwirt-
schaften 15 Prozent des Umsatzes aller
Unternehmen in der Hauptstadt. Darü-
ber hinaus sorgt Berlins Industrie unter
der Oberfläche für zusätzliche Impulse
und unterstreicht damit einmal mehr ih-
re Bedeutung für die Berliner Wirtschaft.
Seit Jahren verdichten sich die Wechsel-
beziehungen zwischen dem Verarbei-
tenden Gewerbe und insbesondere dem
Dienstleistungssektor. Unternehmen aus
Bereichen wie Instandhaltung, Logistik,
IT-Service oder Beratung finden in der
Industrie wichtige Abnehmer.
Die herkömmliche Statistik bildet
die oft symbiotischen Beziehungen aber
nicht ab. Gliedert ein Industrieunterneh-
men etwa seine Entwicklungsabteilung
in eine Dienstleistungstochter aus, wan-
dern diese Arbeitsplätze statistisch vom
einen in den anderen Wirtschaftssektor.
So entsteht der falsche Eindruck, dass die
Industrie an Bedeutung verliert. Wer den
richtigen Eindruck bekommen möchte,
muss bei den Unternehmen nachfragen.
Die IHK hat 225 Industrie- und 469
Dienstleistungsunternehmen am Stand-
ort dazu befragt, welche Bedeutung die
jeweils andere Branche für sie hat. Im Er-
gebnis gabenmehr als 40 Prozent der Un-
ternehmensdienstleister die Berliner In-
dustrie als ihrewichtigste Kundengruppe
an. Ein deutliches Signal auch dafür, dass
aktive Industriepolitik den Wirtschafts-
standort branchenübergreifend stärkt.
Entstanden ist ein Netzwerk aus Un-
ternehmen beider Sektoren, das Wett-
bewerbsfähigkeit sichert und hochwer-
tige Jobs schafft. Dazu gehören u.a. rei-
bungslose Produktionsabläufe. Damit
alles rund läuft, sind Unternehmer wie
Dr. Gero Wiese im Einsatz. „Die Vermei-
dung von Produktionsausfällen ist für
die Industrie ein zentrales Thema“, be-
tont Wiese, dessen SKS Sondermaschi-
nen- und Fördertechnikvertriebs-GmbH
seit 1995 Berliner Industrieunternehmen
betreut. „Die Kosten für Stillstand in der
Fertigung können sich schnell auf Tau-
sende Euro pro Stunde belaufen.“
Die Verflechtung zwischen Industrie
und Dienstleistungssektorwird vor allem
durch die zunehmende Digitalisierung
immer enger – zum Teil bringt sie gänz-
lich neue Geschäftsmodelle und Produk-
te hervor. Immer stärker haltenApp-Pro-
grammierung, Wartung, Cloud-Dienste
und andere Industrie-4.0-Elemente Ein-
zug in die Unternehmensprozesse.
Eine Riesenchance für Berlin, das
über beides verfügt: eine innovative In-
dustrie und kreative Tech-Start-ups.
Die Industrie sorgt in der Hauptstadt aus eigener Kraft und als Impulsgeber überproportional
für Wertschöpfung. Hier die Anteile aller Branchen am Gesamtumsatz, in Mrd. Euro, 2015¹
MIT DIESEN BRANCHEN MACHT BERLIN UMSATZ
Grundstücks- und Wohnungswesen
Information und Kommunikation
Baugewerbe
Gesundheits- und Sozialwesen
Gastgewerbe
Kunst, Unterhaltung und Erholung
Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsor-
gung, Beseitigung von Umweltverschmutzungen
Erziehung und Unterricht
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen
Sonstige Dienstleistungen
¹
Aufgrund der geringen Umsätze sind Landwirtschaft und Bergbau nicht abgebildet
Grafik: Catrin Oldenburg
Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2017
2,5
8,9
57,1
Handel; Kfz-
Instandhaltung
und -Reparatur
32,6
Verarbeitendes
Gewerbe
26,0
Verkehr und Lagerei
2,7
2,6
7,7
0,7
8,1
11,9
0,6
11,0
5,2
21,7
Energieversorgung
14,6
Freiberufliche,
wissenschaftliche
und technische
Dienstleistungen
214,3
insgesamt
42%
der unternehmensnahen Dienstleister
in Ber-
lin nennen laut einer aktuellen IHK-Umfrage
die Industrie als wichtigste Kundengruppe