Berliner Wirtschaft 1/2021

M it 21 Jahren gründete Theodor Hilde- brand im Jahr 1812 seine Pfefferkü- chelei in der Heilig-Geist-Straße 20 im Viertel zwischen Stadtschloss und Altem Rathaus, wo heute der Rasen auf dem Marx-Engels-Forum wächst. Schon fünf Jahre später vergrößerte er sich einen Block weiter in der Spandauer Straße 47 mit Ladengeschäft und Lager, wo wenig später das Rote Rathaus errich- tet werden würde. Hildebrand bot hier Konditoreiwaren, süße Spe- zialitäten und schließlich Kakao- und Schokola- denprodukte an, aus der Pfefferküchelei wurde eine Konditorei. Der erste Schokoladenfabri- kant Berlins und „Hoflieferant Seiner Majestät des Königs“ erregte aber nicht nur mit Schoko- lade Aufsehen, sondern 1830 auch mit der ers- ten 4-PS-Dampfmaschine Preußens, mit der im Schaufenster die Schokoladenwalze betrie- ben wurde. Die Söhne Julius und Richard traten 1844 und 1854 in das Unternehmen ein, im Jahr 1878 ging das Unterneh- men schon in die Hände von Theodor und Paul, der dritten Generation. Das Ladengeschäft behielt die vornehme Adresse, doch die Fabrikproduktion wurde in die Pankstraße 34–37 ver- legt, industrielle Randwanderung auch für Genussmittel. Schokolade unterlag immer dem Saisongeschäft – vor Ostern und Weih- nachten arbeiteten hier zur Jahrhundert- wende 1.500 bis 2.000 Menschen an der Produk- tion von mehr als 2.000 Artikeln aus den Roh- stoffen Kakaobohnen, Zucker, Mandeln, Honig, Mehl und Sahne. Hildebrand & Sohn exportierte nach ganz Europa, Amerika, Südafrika und in die deutschen Kolonien. Der Aufschwung des Geschäftes erhielt in der Weltwirtschaftskrise herbe Rückschläge – die Menschen hatten kaumGeld für Brot, geschweige denn für Schokolade. Ein Insolvenzplan und die Olympischen Spiele retteten den Betrieb in die „Hildebrand Kakao und Schokoladenfabrik GmbH“, die nach vier Generationen Familienfüh- rung erstmals einen Geschäftsführer von außer- halb bekam. Als „Sportschokolade“ wurde die Scho-Ka- Kola eingeführt, in deren Genuss nach Kriegs- beginn nur das Militär kam. Denn die Wirt- schaftsvereinigung der Deutschen Süßwarenin- dustrie verbot den Verkauf von Schokolade an die Zivilbevölkerung. Bei Kriegsende ruhte die Produktion schon längst, als die Fabrik in der Pankstraße und das Stammhaus in Mitte von Bomben getroffen wurden. Der Wiederaufbau gelang mit Nudeln und Gebäck, doch zwei Jahre nach dem 150. Geburtstag des Unternehmens übernahmder Kölner Unternehmer Hans Imhoff das insolvente Unternehmen. Der Firmenname verschwand erst 1996 hinter dem ebenfalls tra- ditionsreichen Namen Stollwerck.  ■ FOTOS: BBWA Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de Der erste Schokoladenfabrikant Berlins erregte Aufmerksamkeit – mit seinen Kakaoprodukten und einer 4-PS-Dampfmaschine von Björn Berghausen (BBWA) Der süße Hildebrand Pralinen den ganzen Tag: Packraum der Schokofabrik Hildebrand in der Pankstraße. Theodor Hildebrand (kl. Foto) hatte das Unternehmen als Pfefferküchelei gegründet 41 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2021 BRANCHEN | Historie

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