Berliner Wirtschaft 1/2020

Die Ansiedlungsentscheidung von Elon Musk zeigt zweierlei: Berlin-Brandenburg meldet sich als Industriestandort zurück. Und die Länder müssen besser kooperieren von Markus Krause Comeback mit Tesla M enschen sind fasziniert von Come- backs – und ein solches liefert Berlin wie keine andere Stadt. Berlin war zer- stört, geteilt und vom Strukturwandel schwer gezeichnet. Vom vermeintlich ewigen Schlusslicht hat sich die Stadt jedoch in beispiel- losem Tempo einen Platz unter den führenden Wirtschaftsmetropolen der Welt zurückerkämpft. Den Weg nach oben ebnen insbesondere Dienst- leistungs- und Digitalwirtschaft, die seit Jahren das mit Abstand stärkste Wachstum aufweisen. Zwar bildete, auch nach den Einbrüchen der 90er-Jahre, die Berliner Industrie mit aktuell rund 100.000 Beschäftigten eine wichtige Stütze der Hauptstadtwirtschaft, doch insbesondere der Stellenwert in der Politik sank. Ist Berlin, einst führende Industriemetropole Europas, als Standort des Verarbeitenden Gewer- bes damit dauerhaft auf die hinteren Plätze ver- bannt? ImGegenteil. Globale Trends wie die Digi- talisierung, der Klimawandel oder das veränderte Mobilitätsverhalten haben die etablierte Ordnung der deutschen Industriestandorte aufgebrochen. Nicht nur der innovative und exportstarke indus- trielle Mittelstand profitiert davon, auch Großun- ternehmen wollen wieder stärker in die Haupt- stadtregion. Die Schlagzeilen um die 600-Mio.- Euro-Entscheidung für die Siemensstadt 2.0 in Spandau waren kaum abgeebbt, als der nächste Paukenschlag folgte: Teslas Gigafactory samt Ent- wicklungszentrum in Berlin-Brandenburg. Die wirtschaftlichen Potenziale sind enorm – rund 8.000 Arbeitsplätze sowie neue Zuliefererstruk- turen, Dienstleistungsanbieter und Impulse in Wissenschaft und Forschung. Auf dem weiten Weg dorthin muss nicht nur Tesla mit geeigneten Rahmenbedingungen unter- stützt werden, sondern auch Tausende von poten- ziellen Mitarbeitern. Eine Ansiedlung dieser Grö- ßenordnung wird den Druck auf eine ganze Reihe von Standortfaktoren erheblich erhöhen. ImRah- men der Grundstückserschließung müssen Stra- ßen- und ÖPNV-Anbindung mit hoher Kapazität bereitgestellt sowie der Wohnungsbau beschleu- nigt werden. Darüber hinaus wird sich das volle Potenzial des Projekts nur dann entfalten kön- nen, wenn insbesondere die Berliner Landespo- litik auch langfristig eine integrierte Mischung aus verschiedenen Mobilitätsarten vorsieht, in der auch Raum für (elektrisch angetriebenen) Pkw-Verkehr besteht. Schon branchenrelevante parteipolitische Signale wie die Ablehnung der IAA in Ber- lin durch die Grünen können sich auf die Pla- nungssicherheit von Großprojekten auswirken. Bei Tesla kommt die Besonderheit hinzu, dass die Standortanforderungen von Berlin und Branden- burg gemeinsam erfüllt werden müssen. Auf die Ansiedlungsentscheidung folgten zunächst übli- che Reflexe – beide Regierungen wollten den Erfolg für sich verbuchen. Dieser Ansatz kann nur schaden. Für die Unternehmen bilden Berlin und Umland einen integrierten Wirtschaftsraum, in dem sie effiziente Verwaltungsabläufe erwarten. Das Tesla-Projekt zeigt einmal mehr, wie wichtig ein effektives gemeinsames Metropolregion-Ma- nagement durch Berlin und Brandenburg ist.   ■ 8000 Arbeitsplätze könnten durch die Tesla-Ansiedlung in der Hauptstadtregion neu entstehen. Elon Musk, Pionier der Elektromobilität, will in Berlin-Brandenburg Autos der Typen Model 3 und Model Y produ- zieren FOTO: GETTY IMAGES/FREDERIC J. BROWN Markus Krause, IHK-Bereich Mittelstand & Energie Tel.: 030 / 315 10-154 markus.krause@ berlin.ihk.de 15 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2020 AGENDA | Industrie

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