Berliner Wirtschaft 1/2020

S ofort mit ihrem Start vor drei Jahren hat die R2G-Koalition die Mobilitätswende als ein poli- tisches Topthema der Legisla- tur ausgerufen. Debattiert wurde seit- dem pausenlos. Praktisch zu sehen ist davon aber heute kaum etwas. Wo ste- hen wir also? Zur nötigen Verringerung von Ener- gie- und Flächenverbrauch im Ver- kehr herrscht inzwischen breiter Kon- sens. Die Umsetzung ist trotzdem alles andere als leicht, denn wer weniger Autoverkehr in der Stadt will, der muss Alternativen bieten. Und das bei wei- ter steigender Verkehrsnachfrage von immer mehr Einwohnern und Pendlern sowie dem riesigen Sanierungsbedarf und fehlenden U- und S-Bahn-Wagen. WelcheMaßnahmen Priorität haben müssen, hatte die IHK-Vollversamm- lung schon Anfang 2018 beschlossen, und sie waren in gleich mehrere ver- kehrspolitische Gremien eingebracht worden. Statt aber den erarbei- teten Stadtentwicklungsplan Mobilität oder das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept zu beschließen, besann sich der Gesetzgeber zunächst auf seine Kernkompetenz: Er kon- zentrierte sich auf die Erarbei- tung eines Mobilitätsgesetzes als Basis für die Umverteilung von Straßenraum. Im dafür eingerichteten Mobilitätsbeirat gelang es auch denWirtschaftsvertretern, eine Reihe wesentlicher Impulse einzubringen. So wurde der Wirtschaftsverkehr grundsätz- lich als wesentliches Element jeder Verkehrsplanung aufgenom- men. Im vorletzten Sommer wurde dann aber nur ein erster Gesetzesteil beschlossen mit konkreten Umset- zungszielen nur für Rad- und Nahver- kehr. Ein zweiter Gesetzesteil zumFuß- verkehr geht demnächst in den Senat. Welche konkreten Regelungen nun der Wirtschaftsverkehr dringend braucht, um das Funktionieren der Stadt zu sichern, wurde in IHK-Aus- schüssen erarbeitet und in einem eige- nen Entwurf formuliert, dessen Para- graphen wir direkt in den Erarbei- tungsprozess eingebracht haben. Sie enthalten im Kern die ➜ Berücksichtigung des Liefer verkehrs bei allen Planungen und Baumaßnahmen ➜ Gewährleistung sicherer Beliefe- rung mit Ladezonen ➜ Einrichtung von anbieteroffenen Mikro-Depots für die City-Logistik ➜ Anfahrbarkeit von Gebäuden für Umzugstransporte, Baustellenbe- lieferung und Entsorgung ➜ Möglichkeit leiser Ver- und Entsor- gung zu Nachtrandzeiten ➜ Verpflichtende Baustellen- koordinierung auf digitaler Basis ➜ Entwicklung einer Straßen- datenbank mit Belastbarkeit für Schwerlasttransporte ➜ Aufbau und Pflege einer Daten- basis zum Wirtschaftsverkehr ➜ Berücksichtigung des Wirtschafts- verkehrs imParkraummanagement ➜ Bevorrechtigungen des Güter- verkehrs an neuralgischen Knotenpunkten ➜ Verbesserung der Erreichbarkeit von Gewerbestandorten Seit letztem Sommer haben SenUVK und der Mobilitätsbeirat intensiv am Wirtschaftsverkehr wie auch an Regeln für Bike-, Scooter-, Car- und Ride-Sha- ring sowie an Verkehrsdaten gearbeitet. Aktuell prüft die Verwaltung für den dritten Gesetzesteil einen Kata- log von 13 Eckpunkten. Darin sind viele der eingebrachten Themen enthalten, jedoch noch lange nicht so konkret und pro- minent, wie es nötig sein wird, damit Berlin auch künftigwirt- schaftlich über seine Straßen ver- und entsorgt werden kann. Darüber wird 2020 noch viel zu diskutieren sein. Parallel laufen muss nun aber die Umsetzung, vor allem die Beschaffung von U- und S-Bahnen, die Sanie- rung von Brücken, der Ausbau von Gleisen, die Fertigstellung von Infrastrukturplanungen und deren Umsetzung. ■ Wenn das Funktionieren der Stadt gesichert werden soll, muss der Senat konkrete Regelungen zum Wirtschaftsverkehr umsetzen von Dr. Lutz Kaden Wo steht die Mobilitätswende? FOTO: IMAGO/SNAPSHOT Der Gesetzesteil zum Radverkehr ist längst umgesetzt AGENDA | Verkehrspolitik 16 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2020

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