Berliner Wirtschaft September 2020

Die weltweite Ausbreitung des Virus hat auch die Berliner Exportmärkte stark in Mitleidenschaft gezogen. Anlass zu zaghafter Hoffnung geben rund um den Globus die umfangreichen Konjunkturmaßnahmen von Christian Nestler und Sami Bettaieb Pandemie trifft Außenhandel I m internationalen Handel stellte sich die Corona-Pandemie ganz zu Beginn vor allem als Angebotskrise dar: Die Nachfrage nach Gütern war mit Ausnahme vom zuerst coro- na-gebeutelten China zumindest in wichtigen Berliner Auslandsmärkten wie den USA oder den EU-Partnerländern noch vorhanden, traf jedoch auf ein weitgehend dezimiertes Warenangebot. Denn wochenlang blieben Logistik- und Liefer- ketten unterbrochen, stand die Produktion in zahlreichen Branchen still. Die Berliner Ausfuhren sanken entsprechend im April und Mai um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum; der Import ging um elf Pro- zent zurück. Besonders tief waren die Einschnitte beimExport von Kraftwagen: Verglichenmit dem Vorjahr, brach dieser im genannten Zeitraum um 59 Prozent ein. Auch der Export von Getränken verringerte sich um 61 Prozent, bei Textilien waren es 42 Prozent. Bei Maschinen – einem der wichtigsten Berliner Exportgüter – belief sich das Minus auf 17 Prozent. Die Auslandsnachfrage nach pharmazeutischen Erzeugnissen aus Berlin hin- gegen wuchs deutlich um 41 Prozent. Mit der geografischen Ausbreitung des Virus wurde aus der Angebots- eine globale Nachfra- gekrise, die auch die wichtigsten Berliner Export- märkte getroffen hat. Die USA als größter Aus- landsmarkt der Berliner Wirtschaft verzeichne- ten einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um annualisiert 32,9 Prozent im zweiten Quartal. Im drittgrößten Berliner Exportmarkt Frankreich waren es 12,1 Prozent imVergleich zumVorquar- tal. In Italien, an achter Stelle in der Exportstatis- tik, 12,4 Prozent. In Spanien – Platz 10 – unge- heure 18,5 Prozent. Demzufolge brachen auch die Berliner Ausfuhren imApril und Mai massiv ein: In die USA um 36 Prozent, nach Frankreich um neun Prozent, nach Italien um 41 Prozent und nach Spanien um40 Prozent. Lediglich der Export nach China, das sich bereits im Mai wieder in Richtung wirtschaftlicher Normalität bewegte, erholte sich im Frühjahrszeitraum und lag vier Prozent über dem Vorjahreswert. Die schnelle Erholung des riesigenMarktes und zweitwichtigs- ten Berliner Exportmarktes im zweiten Quartal stimmt hoffnungsvoll, auf Jahresbasis wird dort ein Wachstumsplus erwartet. Insgesamt ist Hoffnung jedoch derzeit ein zar- tes Gewächs für die Berliner Außenwirtschaft: So verminderte sich der Auftragseingang aus dem Ausland im Verarbeitenden Gewerbe imMai um 28 Prozent, nach fünf Prozent imApril. Noch feh- len amtliche Zahlen, die eine merkliche Erho- lung der ausländischen Nachfrage dokumentie- ren. Immerhin dürfte der EU-Wiederaufbaufonds Nachfrageimpulse in der europäischen Nachbar- schaft setzen. Zwar bleibt die Entwicklung des Welthandels angesichts des dynamischen Pande- mieverlaufs und eines weiter um sich greifenden Protektionismus unwägbar, doch scheint ange- sichts umfangreicher Konjunkturmaßnahmen rund um den Globus der dunkelste Pessimismus momentan gewichen zu sein. ■ FOTO: GETTY IMAGES/ARTPARTNER-IMAGES 22% weniger Ausfuhren verzeichnete Berlin in den Monaten April und Mai. Christian Nestler, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@berlin. ihk.de Sami Bettaieb, IHK-Experte für Internationale Märkte Tel.: 030 / 315 10-241 sami.bettaieb@berlin. ihk.de 11% weniger Importe registrierte die Stadt im selben Zeitraum. Außenhandel in der Schwebe: Eine Prognose zur Entwicklung des Welthandels ist wegen des dynamischen Verlaufs der Pandemie nicht möglich 39 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 09 | 2020 BRANCHEN | Außenwirtschaft

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