Berliner Wirtschaft September 2020

sern. Gespürt haben die Bürger und Unterneh- men während der Corona-Krise vor allem eins: verschlossene Türen, langeWartezeiten und auto- matische Antwortmails, in denen zum Beispiel Unternehmen gebetenwurden, es doch bitte nach Corona noch einmal zu probieren. „Ungenügend“ vorbereitet Frank Nägele verteidigte denweitgehenden Lock- down der Berliner Verwaltung: Dies sei notwendig gewesen, um die Pandemie auszubremsen. Dass die Homeoffice-Fähigkeit der Behörden dringend verbessert werden müsse, daran bestehe jedoch kein Zweifel, und daran würde auch mit Hoch- druck gearbeitet. Für Lorenz Maroldt ist das Kern- problemder Berliner Verwaltung die organisierte Unzuständigkeit, die sich auch bei der Digitali- sierung widerspiegele: „Ich fange an zu zählen, wer eigentlich für Digitalisierung in diesemLand zuständig ist, und komme gar nicht zum Ende.“ Auf Jan Eders Frage, ob es denn bei sechs Spit- zen aus vier Senatsverwaltungen, die allesamt für das Thema Digitalisierung zuständig seien, nicht einen Chief Digital Officer auf Senatsebene bräuchte, antwortete Nägele diplomatisch: „Es ist sinnvoll, in der Kopfstelle jemanden zu haben, der Digitalisierung koordiniert.“ Eindeutiger fiel seine Antwort auf die Frage eines Chat-Teilneh- mers aus. Angesichts der erneut wochenlangen Wartezeiten bei der Kfz-Zulassungsstelle in die- sem Sommer hatte dieser wissen wollen, wie sich denn die Verwaltung auf diese vorhersehbaren „Saisongeschäfte“ vorbereite. Die Antwort des Staatssekretärs: „Ungenügend.“ SkeptischwarendieChat-Teilnehmer auchmit Blick auf den Zukunftspakt Verwaltung. Schließ- lich gebe es schon seit Ende der 1990er-Jahre Ziel-, Service- und Projektvereinbarungen in der Ver- waltung. Was soll uns also Hoffnungmachen, dass es dieses Mal klappt, reichte Eder die Frage an Nägele weiter. Es sei der bilaterale Charakter des Zukunftspakts, so die Antwort. Sowohl Senats- als auch Bezirksebene seien berücksichtigt. Und fügte hinzu: „Wenn die Verhandlungen stocken, muss es aber auch eine Autorität geben, die dann entscheidet: Wir machen das jetzt so.“ Landesnetz verhindert Zugang zum Chat Eine der Unterzeichnerinnen des Zukunftspakts Verwaltung hätte auch gerne ihre Einschätzung dazu in die Runde gegeben, scheiterte aber am Berliner Landesnetz: Monika Herrmann, Bezirks- bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, twitterte: „Wäre gern heute dabei gewesen, vom Büro aus technisch leider nicht möglich.“ Da war sie nicht die Einzige: Denn wer sich von einem Rechner der Berliner Verwaltung zuschalten wollte, wurde vomBerliner Landesnetz geblockt: aus Datenschutzgründen, wie Berlins IT-Staats- sekretärin später mitteilte. ■ Lorenz Maroldt Chefredakteur „Tagesspiegel“ Für die Erkenntnis, dass wir mit der Digitalisierung schneller werden müssen, haben wir nicht Corona gebraucht. Dr. Frank Nägele Staatssekretär Es gibt heute noch Verwaltungen, die mit Karteikarten arbeiten. 11 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 09 | 2020

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