Berliner Wirtschaft Juni 2020

die Miete verlangen, sagen einige. Andererseits ändert die Schließung des Geschäfts nichts an dem Umstand, dass dieses im Verhältnis Ver- mieter-Mieter unverändert vermietet wird (und zumBeispiel gereinigt, zu Abrechnungszwecken oder durch Sicherheitspersonal betreten werden kann). Viel spricht dafür, dass Mieter jedenfalls einen Anspruch auf Anpassung (Reduzierung) des Mietzinses für die Zeit haben, in der das Geschäft geschlossen ist. Gutschein statt Ticketpreis-Erstattung Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Veranstalter von Messen, Konzerten, Sport- und sonstigen Kulturevents das Recht erhalten, ihren Kunden, die vor dem 8. März 2020 Tickets für die Veranstaltung gekauft haben, anstelle einer Erstattung des Ticketpreises einen Gut- schein über den vollen Preis (inkl. Vorverkaufs- gebühr) auszustellen, wenn die Veranstaltung auf- grund der Covid-19-Pandemie nicht stattfinden kann. Der Ticketkäufer kann aber auf Auszah- lung des Geldes bestehen, wenn ein Gutschein für ihn im Härtefall angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist (zum Beispiel beim Wohnsitzwechsel) oder er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat. Gleiches gilt für Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtungen, also Fitness- oder Tanzstudios sowie Museen. Der Gesetzentwurf hat schon viel Kritik einstecken müssen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband spricht von „Zwangsgutscheinen“ für den Verbraucher, der zudem auch das Insolvenzrisiko des Veranstal- ters trage. Das ist faktisch richtig. Andererseits ist das Risiko, dass der Veranstalter aufgrund von Ticketrückzahlungen insolvent geht, wohl noch viel größer. Im Gegensatz dazu ist die Belastung für den Verbraucher eher gering. Sollte sie doch erheblich sein, hilft die Härtefallklausel. Verträge im Eventbereich Für viele Start-ups die wichtigste Frage angesichts der zahlreichen Absagen von Messen, Konferen- zen, Seminaren und sonstigen Veranstaltungen: Was passiert mit den bestehenden Verträgen? Gibt es Ersatzansprüche? Der Messebauer hat schon den Stand gefertigt, die Grafikagentur die Ein- ladungskarten erstellt, die Teilnehmer das Hotel gebucht, und der Fotograf hat sich den Termin eigens frei gehalten. Müssen diese Dienstleister vergütet werden? Eine einheitliche Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Grundsätzlich entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung (also zumBeispiel die Vergütung), wenn dem Vertragspartner seine Leistung aus faktischen oder rechtlichen Gründen „unmög- lich“ wird, etwa bei einer behördlichen Absage aufgrund von Covid-19. Der Veranstalter muss das Event absagen, die Teilnehmer erhalten den Ticketpreis zurück beziehungsweise einen Gut- schein. Haben die Teilnehmer wegen der Veran- staltung ein Hotelzimmer gebucht, müssen sie dieses jedoch bezahlen. Denn das Hotel kann seine Leistung nach wie vor erbringen (sofern nicht behördlich untersagt). Dass der Teilnehmer das Zimmer nun aufgrund der Absage der Messe nicht mehr benötigt, fällt in seinen Risikobereich (etwas anderes mag gelten, wenn der Veranstalter auch die Hotelkontingente gebucht hat). Was den Anspruch der Dienstleister (Foto- graf, Messebauer, Grafikagentur etc.) auf Ver- gütung angeht, kommt es darauf an, ob sie ihre Leistung grundsätzlich noch für den beabsich- tigten Vertragszweck erbringen können oder ob dies aufgrund der Absage des Events unmöglich ist. Dabei ist es entscheidend, ob die Parteien nur eine unbestimmte, allgemeine Vereinbarung über die Erbringung der jeweiligen Leistung getrof- fen haben oder ob beide Seiten dem Vertrag den Zweck der Leistung, also etwa die Verwendung im Rahmen der nun abgesagten Messe, konkret zugrunde gelegt haben. Anspruch auf Teilvergütung kann bestehen Wurde der Messebauer für ein ganz bestimmtes Festival beauftragt und kann das Festival nicht stattfinden, kann auch der Messebauer seine Leistung nicht mehr (vertragsgerecht) erbrin- gen. Damit entfällt auch sein Anspruch auf die Gegenleistung. Gleiches gilt für die Grafikagen- tur, deren Konzept für die Messe nun nicht mehr umgesetzt werden kann, oder für den Fotogra- fen, dem mangels Teilnehmern das Motiv fehlt. Wichtig aber: Dienstleister haben Anspruch auf eine Teilvergütung für bereits abgenommene Teil- werke. Danach kann also die Agentur die Vergü- tung für das bereits freigegebene Konzept verlan- gen, ebenso der Standbauer für bereits getätigte Vorbesichtigungen, die Teil des Auftrags waren. Schadensersatzansprüche (etwa für entgange- nen Gewinn, weil man sich den Termin frei gehal- ten hatte) bestehen in der Regel nicht. Dies würde Verschulden aufseiten des Veranstalters voraus- setzen, Covid-19 ist aber ein Fall von „Höherer Gewalt“ – und niemandem anzulasten. ■ Der Autor Dr. Martin Gerecke ist Fachanwalt für gewerb- lichen Rechtsschutz bei der Kanzlei CMS. Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin Innovation der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes unter: gruenderszene.de FOTOS: PA/DPA-ZB, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Streaming statt Veranstaltung: Die Autoren Sebastian Fitzek (r.) und Vincent Kliesch proben für eine Lesung im Steglitzer Schlosspark Theater 59 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2020 SERVICE | Gründerszene

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