Berliner Wirtschaft Juni 2020

Kontakt zum Wirtschaftsarchiv Für Publikum ist das Berlin-Branden­ burgische Wirtschafts- archiv zurzeit wegen der Corona-Pandemie geschlossen (Stand: Redaktions- schluss 20. Mai). Infos: bb-wa.de Die Rotaprint GmbH war in den 1920er-Jahren mit ihren Kopiermaschinen Mitauslöser für eine technische Revolution in deutschen Schreibstuben von Björn Berghausen Vollkommen von der Rolle W ie mühsam der alltägliche kaiserli- che Geschäftsgang gewesen ist, als 1904 die Deutsche Maschinenbau- und Vertriebsgesellschaft gegründet wurde, um mit der kleinen Handkurbelkopier- maschine „Viktoria“ aufzurollen, wird man sich schon zwanzig Jahre später kaumnoch vorgestellt haben können. So, wie unser Büroalltag durch die Digitalisierung radikal verändert wurde, mischte auch vor hundert Jahren eine breite technische Revolution die Büros auf: Schreib- maschinen, Lindströms Parlograph als Diktier- gerät, Rechenmaschinen, Registrierkassen, Adre- mas Adressiermaschinen. 1926 repräsentierten diese Geräte die Moderne auf der Internationalen Berliner Büroausstel- lung am Kaiserdamm und flankierten die Ein- führung der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien“ zur verbesserten Verwal- tungsorganisation. Mit dabei: Kopiermaschinen in Offset-Rotations-Druckverfahren mit erhöh- ter Geschwindigkeit und besserer Bildqualität. Im selben Jahr benannte sich das Unternehmen, das die „Viktoria“ entwickelt hatte, in Rotaprint GmbH um, weil die kleine Kopiermaschine so erfolgreich war, dass der Name „Rotaprint“ es zum Gattungsbegriff für Druckverfahren in den Lexika schaffte. Kopien gehörten im Geschäfts- alltag dazu – eine Durchschrift oder eine Koh- lepapierkopie auf der Schreibmaschine war eine notwendige rechtliche Absicherung. Die Kohle- papierkopie schaffte es bis ins E-Mail-Zeitalter, nämlich als Abkürzung „cc“ für die amerikani- sche Bezeichnung „carbon copy“. Rotaprint expandierte an seinem Weddin- ger Standort im Karree zwischen Reinicken- dorfer-, Gottsched-, Bornemann-, Ufer- und Wiesenstraße gewaltig, auch als „kriegswich- tiger“ Betrieb, der Zwangsarbeiter beschäftigte. Im Bombenhagel des Weltkriegs wurden jedoch 80 Prozent der Produktionsstätten zerstört. Mit dem Aufschwung und dem Wirtschaftswunder wuchs aber in erhöhtem Maße auch der Bedarf an Kopiermaschinen, sodass Rotaprint innerhalb von zehn Jahren seine Marktanteile zurückge- winnen konnte und 1955 wieder 1.000 Arbeiter und Angestellte beschäftigte. Zum 50-jährigen Jubiläum beschloss Rotaprint, sich eine moderne bauliche Indentität zu geben. Das Vorbild von Le Corbusier ist bei den Gebäuden des neuen Wer- kes deutlich zu erkennen. Der Markt für Rotaprints Kopierer versiegte mit demSiegeszug der Fotokopierer und des Büro- druckers. 1989 meldete das Unternehmen Kon- kurs an. Das Rotaprint-Werk nutzen heute ört- liches Gewerbe, Künstler, Beschäftigungsträger und Schuleinrichtungen als Kreativraum.  ■ FOTOS: BBWA Bild ganz links: Generaldirektor Paul A. Glatz 1954 bei einer Rotaprint- Betriebsbesich- tigung. Daneben: Ausbilder und Azubis an einer Rotaprint-Maschine im Jahr 1965 43 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2020 BRANCHEN | Historie

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