Berliner Wirtschaft Juni 2020

neben München, Tübingen, Dortmund und Dresden sowie den großen DFKI-Standorten Saarbrücken und Kaiserslautern. Außerdem sind in Berlin For- schungsgesellschaften wie Fraunhofer, Helmholtz und natürlich das DFKI ansässig. Diese reichhaltige Szene bringt wiederumNeugründungen hervor, von denen wir viel erwarten können. Welche sind das zum Beispiel? Das ist zumBeispiel das Berlin Institute for Founda- tions of Learning and Data – kurz BIFOLD. Entstan- den ist es aus dem Berlin Big Data Center und dem Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen BZML. Das Ziel ist dort unter anderem, die Grundlagenfor- schung weiter voranzutreiben. Welche Rolle spielt das DFKI innerhalb der Berliner Forschungslandschaft? Wir sehen die Lückenschließung zwischen Wirt- schaft und akademischer Forschung als eine unserer Aufgaben an. Das war auch schon ein Motiv für die Gründung des DFKI. Wir sind das Bindeglied zwi- schen der aktuellen Forschung und der Wirtschaft. Da unsere wissenschaftlichen Direktoren gleichzei- tig Lehrstühle haben, sind wir eng mit den Univer- sitäten vernetzt. Auf der anderen Seite haben wir rund 30 nationale und internationale Gesellschafter aus der Wirtschaft. Google und Microsoft gehören auch dazu. So sind wir auch international vernetzt. Profitieren auch Berliner Firmen vonKI-Forschung? Ja, Berlin ist für KI ein echter Hub, in dem sich die akademische Forschung mit Instituten und Groß- unternehmen, Mittelständlern und Start-ups ver- netzt. Die Rolle des DFKI ist unter anderem, diese Akteure zusammenzubringen und deren Zusam- menarbeit zu intensivieren. Das geschieht zum einen in gemeinsamen Forschungsprojekten, in denen das DFKI als Forschungspartner aktiv ist, oder auch in der Veranstaltungsreihe mit demNamen „AI Monday“. Das ist ein Community-Event. Wir machen das etwa alle sechs Wochen. In der Corona-Zeit füh- ren wir die Veranstaltung im digitalen Format fort. Sie machen außerdem Auftragsforschung. Richtig. Das sind Industrieprojekte, die insbeson- dere dann stattfinden, wenn Firmen in bestimm- ten Teilbereichen stärker werden wollen. Dann wird zum Beispiel gemeinsam ein neues Produkt oder eine neue Anwendung entwickelt. Es geht dabei auch um Know-how-Transfer. Wir helfen, neue Unter- nehmensbereiche aufzubauen und mit demnötigen Wissen auszustatten. Wie steht die Berliner KI-Start-up-Landschaft im bundesweiten Vergleich da? Das ist schwer zu beurteilen. Berlin hat auf jeden Fall schon beeindruckende KI-Start-ups hervorge- bracht. Ein sehr gutes Beispiel ist ADA Health. Das Team hat eine App für Diagnosen entwickelt. Der Nutzer gibt die Symptome ein, und die App ermit- telt, umwelche Krankheit es sich handeln kann. 2017 sind 40 Millionen Euro in das Start-up geflossen. Das ist eine enorme Summe für deutsche Verhältnisse. Data Artisans, eine TU-Ausgründung, war ebenfalls sehr erfolgreich. Alibaba hat 2019 für das Big-Data- Start-up 90 Millionen Euro gezahlt. Wie kann ein Mittelständler in das Thema künstli- che Intelligenz einsteigen? Es gibt verschiedene Wege. Der leichteste Weg ist, den Kontakt zu uns zu suchen. Einige Firmen schi- cken uns ganz einfach eine E-Mail. Wir prüfen dann, ob wir helfen können. Ein anderer Weg ist, zumBei- spiel über Veranstaltungen wie „AI Monday“ Kon- takte zu knüpfen. Weitere Anlaufstellen sind Berlin Partner und die IHK, mit denen wir eng zusammen- arbeiten. Schwierig ist, direkt zu Universitäten zu gehen, weil Hochschulen aufgrund ihrer Struktur nicht darauf ausgerichtet sind. Welche Hemmnisse erschweren den Einstieg in die künstliche Intelligenz? Viele Unternehmen halten es nicht für notwendig, in das Thema einzusteigen. Es gibt laut Studien deut- liche Unterschiede zwischen den Wirtschaftsbran- chen. Unternehmen, die sich mit Mobilität, Verkehr und Logistik beschäftigen, haben verstanden, dass Digitalisierung für sie notwendig ist. Anbieter von Finanzdienstleistungen haben hier noch Nachhol- bedarf. In einigen Unternehmen wird künstliche Intelligenz leider auch mit dem Teilbereich der KI, dem Machine Learning, gleichgesetzt, und deshalb denken die Verantwortlichen, sie müssen für KI-An- wendungen ihre Daten teilen. Aber das müssen sie nicht zwangsläufig. Ist KI für alle Branchen wichtig? Ja, natürlich. Wer sich nicht um die Digitalisierung kümmert, läuft Gefahr, abgehängt zu werden. Es hat ja schon viele Beispiele für Disruption gegeben, und es wird auch noch weitere geben. Im Zuge der Digi- talisierung wird der Servicegedanke immer wich- tiger werden. An die Produkte werden Smart Ser- vices angedockt, mit denen sie kundenzentrierter gestaltet werden können und damit auch wettbe- werbsfähiger sind. Sven Schmeier Chief Engineer Auch unternehmerisch hat sich Sven Schmeier bereits betätigt. So war er an der Gründung mehrerer KI-Start-ups beteiligt. Außerdem ist er Patentinhaber im Bereich des Maschi- nellen Lernens. I m Deutschen Forschungs- zentrum für Künstliche Intelligenz ist er stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Speech and Language Technology. Das DFKI ist in Berlin seit 2007 ansässig. Während der Wachstums- phase 2008 bis 2012 zog das Instititut in einen Gewerbehof an der Spree im Ortsteil Moabit. Das ist auch der Standort, an dem Sven Schmeier forscht Heike Schöning, IHK-Bereich Fachkräfte & Innovation Tel.: 030 / 315 10-331 heike.schoening@ berlin.ihk.de FOTOS: ULRICH LORENZ SCHWERPUNKT | Interview 26 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2020

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