Berliner Wirtschaft Mai 2020

Auch die verheerenden Folgen der Corona-Pandemie sollten nicht vergessen lassen, dass die Berliner Wirtschaft in den letzten zwei Dekaden eine ebenso solide wie dynamische Struktur entwickelt hat von Christian Nestler Blick zurück nach vorn FOTO: GETTY IMAGES/VIAFRAME I n den vergangenen fünf Jahren errang Ber- lin dreimal den Titel des deutschen Wachs- tumsmeisters, einmal belegten wir den zweiten, einmal den vierten Platz. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg in diesem Zeitraum um 218.000 auf über zwei Millionen, die allein imver- gangenen Jahr Waren und Leistungen im Wert von 138 Mrd. Euro herstellten. Anlass für Optimismus – auch jetzt Dieser Zahlen sollte man sich gerade in der Coro- na-Krise erinnern – und nicht Wehmut, sondern Optimismus daraus schöpfen. Denn aller Ernst, alle Entbehrungen, welche die Corona-Pande- mie und die zu ihrer Bekämpfung getroffenen Maßnahmen Unternehmen und Bürgern auf- erlegen, dürfen nicht vergessen lassen, dass die Berliner Wirtschaft in den letzten zwei Deka- den eine ebenso solide wie dynamische Struk- tur entwickelt hat, die auch der Corona-Krise standhalten wird. Berlin ist nicht mehr der durch jeden Abschwung bedrohte, fragile Standort der frü- hen Nullerjahre, der seine Rolle in der Welt noch nicht gefunden hatte. So belief sich Berlins Anteil an der deutschen Bruttowertschöpfung im Jahr 2005 auf mageren 3,8 Prozent; 2019 waren es 4,5 Prozent. Was wie eine geringe Veränderung erscheint, spricht in Wirklichkeit von einer um 78 Prozent gewachsenen Wirtschaftsleistung, während es bundesweit 49 Prozent waren. Sie erzählt davon, dass Berlin seit Jahren mit Paris um den zweiten Rang bei Venture-Capital-In- vestitionen in Europa im Wettstreit liegt und zu einer der größten touristischen sowie Messe- und Kongressdestinationen der Welt herangewach- sen ist. Am aktuellen Rand wuchsen der Handel um 6,5 Prozent, das Gastgewerbe um 4,9 und die IT-Dienstleister um 6,5 Prozent – jeweils deutlich stärker als bundesweit. Es gibt zwar den guten Rat, vomVergangenen nicht auf das Zukünftige zu schließen. Doch gilt dieser nur, wenn sich die bestimmenden Fak- ten derart geändert haben, dass zwischen gestern und morgen eine tiefe Kluft entstanden ist. Stellt Corona einen solchen Bruch dar? Digitalisierung verspricht starkes Potenzial Wahrscheinlich wird es bei einigen Produkten zu einer De-Globalisierung der Wertschöpfungs- ketten kommen. Für Berlin kritischer ist die zu erwartende mittelfristige Beibehaltung von Rei- sebeschränkungen. Gastgewerbe, Touristik und Teile des Einzelhandels werden unter diesen noch länger leiden. Langfristig jedoch ist nicht damit zu rechnen, dass Massentourismus und interna- tionale Mobilität infolge von Corona ein Ende fin- den. Desgleichen nicht die Megatrends Digitali- sierung und die Transformation in eine Dienst- leistungs- und Wissensökonomie, denen Berlin seinen erstaunlichen wirtschaftlichen Erfolg der zurückliegenden Dekade wesentlich verdankt. Auch hier ist ein Bruch nicht in Sicht; mit Blick auf die Digitalisierung könnte auch das Gegen- teil der Fall sein. Berlin wird seine wichtigen ökonomischen Assets – Innovationskraft und Fachkräfte – in dieser schwierigen Krise pflegen müssen. Wenn dies gelingt, so wird dem steilen Absturz eine zügige Erholung folgen. ■ 138 Mrd. Euro betrug der Wert von Waren und Leistungen Berliner Unternehmen im Jahr 2019. 4,5% der deutschen Bruttowertschöpfung erwirtschaftete Berlin 2019, im Jahr 2005 waren es 3,8 Prozent. 78% mehr Wirtschafts- leistung stehen hinter dem Anteil an der Bruttowertschöpfung. Christian Nestler, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de 13 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2020 AGENDA | Volkswirtschaft

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