Berliner Wirtschaft 4/2018

MEINUNG & MACHER 21 BERLINER WIRTSCHAFT 04/18 grüßung betont. „Sie müssen Mammut- aufgabenwie die Integration der geflüch- teten Jugendlichen bewältigen, tragen Verantwortung für 315.000 Schüler und 31.000 Lehrer und werden dann für jede ausgefallene Mathestunde und jede brö- selnde Schulfassade verantwortlich ge- macht.“ Ein Faden, den IHK-Hauptge- schäftsführer Jan Eder in der Diskussion mit der Senatorin aufnahm: „Den Job, den Sie haben, will doch eigentlich niemand haben: Wie halten Sie das aus?“ „Ich habe nichts geschenkt bekommen“, gab Sandra Scheeres zu. Aber sie habe klare Vorstel- N un ist es endlich da – das neue Tourismuskon- zept in rot-rot- grüner Handschrift. Stadtver- träglich soll er sein. Die For- derung klingt gut, wäre da nicht die quälende Frage, ob sich der gemeine Tourist der- art lenken lässt, wie es das Konzept vorsieht. Stellen wir uns Berlin als ein großes Un- ternehmen vor, in dem der Geschäftsbereich Tourismus einen wesentlichen Teil des Umsatzes ausmacht. Ist das dann jetzt der richtige Zeitpunkt, um den quantitativen Er- folg mithilfe frag- und diskussionswürdiger „qualitativer“ Maßnahmen umzukrempeln? Nach Auffassung des Senats hat Berlin ein Vertei- lungsproblem. Deshalb soll König Kunde nicht mehr das Top-Produkt in der Mitte des Regals kaufen, sondern wird auf die Randlagen hingewiesen. Kein Supermarkt würde so agieren, aber interessierte Kunden wissen ohnehin, dass sich der Blick in die unteren Regale lohnt! Ist es nicht eher so, dass unsere Abteilung Prozessmanagement einfach nur Schwierigkeiten hat, die große Nachfrage für Premiumpro- dukte zu bedienen und daher dem Marketing empfiehlt umzusteuern? Eine Analyse hat ergeben, dass der Berlin-Tourist zu- künftig tiefer in das echte Berliner Leben eintauchen möchte. Weil uns das aber zu viel ist, verteilen wir die Tou- risten mittags nach Spandau zu Haxe mit Sauerkraut und Kaffee mit Sahne (ohne Soja). AmAbend geht es dann zurück ins Hotel, denn der „Themenpark“ Friedrichs- hain-Kreuzberg schließt um 22 Uhr. Die einst dort leben- den Studenten sind schließ- lich erwachsen geworden und brauchen ihre wohlver- diente Nachtruhe. Aus der Erkenntnis, dass immer mehr durchgängig digital verfügbare Angebo- te erwartet werden, resultiert u. a. das Bekenntnis, dass Stadt- und Tourismusent- wicklung mehr Hand in Hand gehen sollen. Die Bei- spiele klingen gut, doch bei den konkreten Aufgabenstel- lungen fehlen disruptive Ideen, die das Geschäft tatsäch- lich und im Sinne des Kunden auf die nächste Qualitäts- stufe heben können. Der geplante Ausbau des Monitorings ist ausdrücklich zu begrüßen. Je genauer die Erkenntnis- se, desto besser die Kundenorientierung. Dazu trägt auch die engere Vernetzung der Akteure bei, sofern wirklich al- le touristischen Leistungsträger eingebunden werden. Die- se sind in der Regel auch motiviert, gemeinsam entwickelte Projekte mit messbaren Zielen hochwertig umzusetzen. Dem Konzept 2018 fehlt ein konkreter Umsetzungsplan nämlich genauso wie seinemVorgänger. Das Kompetenz- team Mittelstand wird die Entwicklung Berlins zu einer Smart City mit Geschäftsfeld Tourismus weiter intensiv be- gleiten. Infos: www.ihk-berlin.de/kompetenzteam Mit seinem neuen Konzept will der Senat Besucher anders auf Berlin verteilen – fragt sich, ob das so klappen kann Lässt der Tourist sich lenken? MITTELSTANDSKOLUMNE SEBASTIAN STIETZEL Vorsitzender des Kompetenzteams Mittelstand der IHK Berlin und Managing Partner der Marktflagge GmbH Management & Investments lungen und Leitlinien. Davon lasse sie sich auch nicht abbringen. Ihr Ziel: Jedes Kind mitnehmen und fördern. „Ichweiß, was es heißt, aus einer armen Familie zu kommen, denn meine Familie war arm. Ich weiß, was es heißt, wenn die Mutter einem nach der zweiten Klasse nicht mehr helfen kann“, so Sand- ra Scheeres. „Arme Kinder müssen dop- pelt so viel leisten.“ Außerdemwerdeman die Exzellenzförderung an Schulen wei- ter stärken. Es sei unfair, bei Leistungs- vergleichen immer auf das schlechteste Drittel der Schüler zu sehen. Und natür- lich sei es nicht akzeptabel, dass Berlin ei- ne so hohe Schulabbrecher-Quote habe. Gleichzeitig tue man dem Berliner Bildungssystemdurch diese Fokussierung unrecht: „Berliner Schüler sind im Bun- desvergleich im Spitzenfeld sehr gut ver- treten“, so Scheeres. Das ändert jedoch nichts an demWunsch, den Jan Eder der Senatorinmit auf denWeg gab: „Wirwün- schen Ihnen – und uns –, dass wir die ro- te Bildungslaterne nicht wiedersehen.“ Denn, wie hatte auch IHK-Präsidentin Kramm zu Beginn gesagt: „Berlins Schü- ler sind unsere wichtigste Ressource.“ FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG

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