Berliner Wirtschaft 1/2021

Sicht der neuen Investoren ein sinnvoller Deal zustande kommt. Dabei besteht ein Venture-Deal aus zahlrei- chen Parametern. Die Bewertung und Investiti- onshöhe sind nur der Startpunkt. Themen wie Closing-Bedingungen („Wir investieren 500.000 Euro, wenn mindestens ein anderer Investor ebenfalls 500.000 Euro investiert“), die Ausgestal- tung der Liquidationspräferenz, eventuelle Mile- stone-Regelungen, Mitarbeiterbeteiligungs-Töpfe (ESOP/VSOP), Drag-&-Tag-Along, zustimmungs- pflichtige Geschäfte oder Beiratsregelungen kön- nen das spätere Zusammenleben, die weitere Finanzierungsfähigkeit der Gesellschaft und damit den Wert des Deals deutlich beeinflussen. Entscheidend für die Dynamik der Finanzie- rungsrunde können insbesondere Regelungen zur Exklusivität sein, vor allemwenn diesemit Break- up-Gebühren sanktioniert werden. Gerade hier sollten Gründer vorsichtig agieren, denn für eine Verpflichtung ihrerseits bekommen sie nur eine unverbindliche Zusage der Investoren. Noch wenig erfahrenen Gründern ist generell anzuraten, sich vor der Verhandlung schlau zu machen, denn der auf der anderen Seite sitzende Investor wird naturgemäß einen Heimvorteil in diesem Metier haben. Gute Investoren zeich- net dabei aus, dass sie nicht versuchen, Gründer durch ihrenWissensvorsprung imKleingedruck- ten über den Tisch zu ziehen. Aber Vorsorge ist bekanntlich immer besser als Nachsicht. Wer kann weiterhelfen? Neben dem US-Standardwerk „Venture Deals“ von Brad Feld und Jason Mendelson, das sehr anschaulich die Gestaltung eines (leider US-ty- pischen) Term-Sheets beschreibt, gibt es zuneh- mend auch verwendbare deutsche Literatur zum Thema. Ferner geben erfahrene Gründer und gute Business Angels aus demBekanntenkreis oftmals gern Auskunft, und die Vermittlung der grund- legenden Term-Sheet-Kenntnisse sollte auch bei jedem Accelerator- oder Inkubator-Programm auf dem Lehrplan stehen. Zuletzt gibt es auch Corporate-Finance-Berater sowie spezialisierte Anwälte. Gerade Berater können auch imHinblick auf die zu erwartende Kaskade von Finanzie- rungsrunden (nach der Runde ist vor der Runde) gute Dienste leisten, da sie mit demGründerteam nicht nur isoliert eine Transaktion, sondern auch die nächsten Schritte mit nüchternem Blick und Erfahrungen aus anderen Transaktionen planen und damit oftmals auch optimieren können. ■ Der Autor Nikolas Samios ist Gründer und Managing Partner von PropTech1 Ventures, dem europä- ischen VC-Fonds für das Innovationspoten- zial der Immobilien- wirtschaft. Er verfasst regelmäßig Artikel zu Venture Capital und Start-ups und hat auch ein Fachbuch zum Thema veröffentlicht Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin Innovation der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene gruenderszene.de Bei der Gestaltung eines Term-Sheets gibt es zwei Philosophien: lang und kurz. Der Grundgedanke eines eher kurzen Term-Sheets (ein bis zwei Sei- ten) ist: „Lasst uns schnell zumindest den ersten Pflock in den Boden rammen, und erst wenn wir sehen, dass wir uns in der Bewertung und Betei- ligungshöhe einig sind, über weitere Details ver- handeln und darauf vertrauen, dass alle Seiten ,Industry-Standard ‘ -Regelungen bei allen übli- chen Klauseln akzeptieren.“ Das lange Term- Sheet hingegen (drei bis zehn Seiten) nimmt bereits viele dieser sekundären Terms vorweg. Die Denkweise lautet hier: „Die Erstellung und Verhandlung des Term-Sheets dauert vermutlich länger, aber wenn wir da gemeinsam durch sind, ist die Abbruchwahrscheinlichkeit geringer, und wir sparen auch im späteren Prozess Zeit (und potenziell auch Geld für die Anwälte).“ Vor- und Nachteile der beiden Ansätze Wie immer im Leben haben beide Ansätze Vor- und Nachteile und damit ihre Daseinsberechti- gung. Ein kurzes erstes Term-Sheet mag beispiels- weise bei einer Runde mit mehreren Investoren den Gesprächsprozess auf einen konkreten Punkt hin fokussieren und zu einer gewissen Gruppen- dynamik führen. Insbesondere wenn sich Par- teien bereits aus der Praxis kennen, mag Mut zur Lücke gerechtfertigt sein. Je mehr Sonderas- pekte in einen Deal einfließen, desto umfang- reicher das Term-Sheet, etwa wenn noch beste- hende Verbindlichkeiten in der Runde gewandelt werden und Altgesellschafter Anteile verkaufen (Secondaries). Auch die Zahl der Parteien (Altge- sellschafter) wirkt sich dahin gehend aus. Auch bei der Frage, wer unterzeichnet, gibt es zwei Ansätze: In der einfacheren Formunterbrei- ten ein oder mehrere Investoren der Gesellschaft – verkörpert durch die Gründer, also die (hoffent- lich) Hauptgesellschafter und Geschäftsführer – ein Angebot, das durch diese per Unterschrift angenommen wird. Die Anzahl der Parteien bewegt sich damit also in einem übersichtlichen Rahmen. In der umfassenderen Form sind explizit auch alle weiteren Gesellschafter, also zum Bei- spiel Business Angels aus der ersten Runde, Sup- porter, gegebenenfalls operativ nicht mehr tätige Gründer, Teil der Vereinbarung. Diese Formwird vor allem dann gewählt, wenn von diesen Par- teien eine aktive Mitwirkung beim Deal erwar- tet wird, die Altgesellschafter also zum Beispiel auf alte Ansprüche, etwa aus Liquidationspräfe- renz alter Runden, verzichten müssen, damit aus ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ERHUI 1979; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 59 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2021 SERVICE | Gründerszene

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