Berliner Wirtschaft Juni 2024

die Politik auf ihrer Seite. Im Koalitionsvertrag hat die Berliner Regierung eine „ambitionierte Politik für grünen Wasserstoff“ angekündigt. Die notwendige technische Infrastruktur und Kooperationen sollen ausgebaut werden. Umstellung von Gasleitungen Die ersten Schritte in diese Richtung sind erfolgt. Bereits vor einem Jahr hat die NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg Pläne für ein Wasserstoffnetz vorgelegt. Der Fahrplan sieht vor, das Berliner Gasnetz in drei Phasen für den Transport von Wasserstoff zu ertüchtigen. In der ersten Phase wird bis zum Jahr 2030 ein Wasserstoff-„Startnetz“ für Berlin aufgebaut, das große Berliner Netzanschlüsse mit Wasserstoff versorgen kann. Das Netz soll in der Lage sein, fast 50 Prozent des gesamten Berliner Gasverbrauchs durch Wasserstoff zu ersetzen. Die Umstellung bestehender Gasleitungen hat im Vergleich zum Bau neuer Trassen den Vorteil, dass es günstiger und schneller umzusetzen ist. Laut Andreas Wendt, Pressesprecher der NBB, sind die beiden ersten Trassen, eine mit 30 Kilometern Länge im Osten und eine weitere ebenso lange im Westen der Stadt, vom TÜV geprüft und genehmigt. Aber: An den beiden Übernahmestationen des Vorlieferanten ONTRAS müssen noch größere Investitionen vorgenommen werden, um sie endgültig tauglich für die Durchleitung von Wasserstoff zu machen. Wegweisende Aktivitäten mit dem Ziel, Wasserstoff zu etablieren, gibt es auch anderswo. So haben die sechs ostdeutschen Bundesländer im März die „Initiative für Wasserstoff in Ostdeutschland“ gegründet und in Berlin die Vereinssatzung unterschrieben. Die IWO soll Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im Osten des Landes beim Thema grüner Wasserstoff eng vernetzen, um dessen großes Potenzial für Energiewende und Klimaneutralität zu erschließen. Die Initiative verweist auf erste Pilotprojekte, etwa eine Anlage für grünes Methanol in Leuna (Sachsen-Anhalt) und das neu gegründete Forschungszentrum für den Wandel der chemischen Industrie in Delitzsch (Sachsen). Solche länderübergreifenden Kooperationen sind förderlich, um den Zugang zu CO2-neutralem Wasserstoff zu erleichtern, findet auch Kubala. Wenngleich er vor allem an den Austausch mit Brandenburg, das bereits eine Wasserstoff-Road- map entwickelt hat, denkt. „Nur durch einen länderübergreifenden, kooperativen Ansatz kann Berlin sicherstellen, dass es nicht den Anschluss an die Wasserstofftechnologie verliert und die vielfältigen wirtschaftlichen Möglichkeiten in einem milliardenschweren Zukunftsmarkt nicht ungenutzt bleiben“, sagt der IHK-Experte. Er appelliert an die Berliner Unternehmen, Infra- strukturen zu nutzen und auszubauen. Bislang planen nur 13 Prozent der Berliner Betriebe Maßnahmen zur Nutzung von Wasserstoff. Positiv ist, dass das Interesse daran bedeutend höher ist: 46 Prozent der Berliner Unternehmen befürworten, dass der Zugang zum umweltfreundlichen Energieträger hergestellt wird. Zuerst kommen die Tankstellen Jörg Buisset glaubt, dass sich die Akzeptanz schlagartig erhöhen wird, wenn die aktuell drei Vorzeigeprojekte erfolgreich an den Start gegangen sind. Zunächst werden in den sektorenübergreifenden Projekten die geplanten Tankstellen aufgebaut und ausgebaut. Hier lassen sich am schnellsten wettbewerbsfähige Modelle errichten. Der grüne Wasserstoff, durch Plasmalyse oder Elektrolyse erzeugt, wird dazu beitragen, Berliner Lkw-, Bus- und Nutzfahrzeugflotten klimaunschädlich zu machen. „Neben den heute schon eingesetzten Berliner Müllsammelfahrzeugen wird zum Beispiel auch die Luftfracht am BER, die häufig zwischen Berlin und Frankfurt fährt, davon profitieren“, sagt Buisset. Leider verzögern sich die Projekte. Statt 2025 soll es 2027 so weit sein. ■ Andreas Kubala, IHK-Public-Affairs- Manager Energie und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-758 andreas.kubala@ berlin.ihk.de Jörg Buisset Vorstandsvorsitzender von H2Berlin Erneuerbare Energien werden im Wesentlichen in einer anderen Form als Strom in die Stadt kommen. Ähnliche Optik, anderer Stoff: der Tankanschluss eines wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenautos FOTOS: DAIMLER TRUCK GLOBAL COMMUNICATIONS, IMAGO CLASSIC, H2BERLIN Grüner Wasserstoff | 55 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

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