Berliner Wirtschaft Juni 2024

Konjunktur Strukturelle Krise trifft Dienstleistungsgewerbe der Hauptstadt Seite 10 Fachkräfte Zweirad Stadler geht mit Schulkooperationen ans Azubi-Recruiting Seite 50 KI-Kickdown Berlin ist Deutschlands Top-Standort für künstliche Intelligenz. Die Deepset-Gründer Milos Rusic und Malte Pietsch wissen auch warum Seite 18, Interview Seite 26 IHK-Check Parteien zur Europawahl Nachgefragt: Positionen zu zentralen Themen der Wirtschaft Seite 16 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 06/2024 ihk.de/berlin

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Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Beim Begriff „Künstliche Intelligenz“ denke ich bisher ja nur an Programme, die einem das kreative Textschreiben abnehmen, lange Dokumente sinnvoll zusammenfassen, neuartige Bildkreationen zur Illustration oder aber die Debatten um Kennzeichnungspflichten oder Regulierungsnotwendigkeiten. Aber das alles ist nur die Spitze des viel zitierten Eisbergs. Die Möglichkeiten, die der Einsatz von künstlicher Intelligenz bietet, werden Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend verändern. In ihren Auswirkungen vergleichbar mit der industriellen Revolution. Was großartig ist: Von der breiten Öffentlichkeit bislang noch verhältnismäßig unbemerkt, hat sich Berlin zu einem KI-Hotspot entwickelt. Berliner Start-ups entwickeln KI-basierte Services, die auch für den Mittelstand hochgradig spannend sind. (S. 18) Wissenschaft und Forschung punkten mit Modellprojekten und nationalen Champions. Jetzt dürfen wir nur den internationalen Anschluss nicht verlieren. Mehr dazu finden Sie in diesem Heft. Etwas mehr Disruption und vielleicht auch KI wünscht man sich gelegentlich bei der Stadtentwicklung. Die Interessenkonflikte zwischen Wohnungsbau und Gewerbe- flächenbedarf oder auch im Verkehr machen es für alle Beteiligten nicht einfach. Die IHK Berlin bittet deshalb am 10. Juni zum Kongress „Weltmetropole.Berlin leben & gestalten“. (S. 12) Als Keynote-Speaker haben wir niemand Geringeren als Professor Carlos Moreno gewinnen können, der weltweit mit seinen Ideen zur nachhaltigen Stadt- entwicklung für Aufsehen sorgt. Ich hoffe also, wir sehen uns am 10. Juni im Haus der Berliner Wirtschaft! Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Ihr Europawahl 2,5 Millionen Berliner und Berlinerinnen sind am 9. Juni aufgerufen, das Europaparlament zu wählen. Landeswahlleiter Stephan Bröchler erläutert, warum ein starkes demokratisches Europa auch für die Wirtschaft wichtig ist. Außerdem umreißen antretende Parteien ihre Positionen. Seite 15 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner-­ wirtschaft.de KI bringt auch Berlin nach vorn ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Editorial | 03 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Integration Auf welchen Wegen Fachkräfte aus Drittstaaten einwandern können 44 18 Künstliche Intelligenz Wenn das Potenzial richtig genutzt wird, hat Berlin das Zeug zum internationalen Player im Bereich KI BRANCHEN 30 Robotik Netzwerktreffen der Branche zeigt, wie die Industrie auf Zukunftstechnologie setzt 34 Klimaschutz Vier Auszeichnungen für Klimaschutzpartner 35 Start-up Leonie Seitz, Gründerin von 12minutes, im Fragebogen 36 Standort Wissenschaft trifft Wirtschaft in der Urban Tech Republic – Berlin TXL 38 Mode Gründerinnen erleichtern mit adaptiver Mode Menschen mit Handicaps das Leben 40 Apotheken Hohe Kosten und fehlende Fachkräfte führen zu vermehrten Schließungen 42 Wettbewerb Bewerbungsfrist für den Innovationspreis läuft 43 Historie Die Bundesdruckerei ist eine Institution mit Tradition AGENDA 10 Konjunktur Stimmung in der Berliner Wirtschaft bleibt getrübt 12 Kongress Am 10. Juni bringt die IHK Akteure für die Gestaltung der Metropole Berlin zusammen 13 Kolumne Birol Becer über gute Gründe, auf Berlin stolz zu sein 14 Nachhaltigkeit IHK Berlin und DIHK Service GmbH gründen Bündnis für Biodiversität 15 Europawahl Statements von Stephan Bröchler, Landeswahlleiter, und den Parteien FOKUS 18 Künstliche Intelligenz Berlin ist ein Hotspot für KI-Forschung und -Start-ups. Für nachhaltige Erfolge muss das Ökosystem seine Kräfte künftig stärker bündeln 22 Unternehmenspraxis Langdock, Brighter AI und Workist punkten mit KI-Tools 26 Interview In München Kommilitonen, haben sich Milos Rusic und Malte Pietsch mit ihrem Start-up Deepset für Berlin entschieden. Warum, erklären die beiden Gründer hier Inhalt | 04 Malte Pietsch Mitgründer und CTO von Deepset In Ländern wie den USA oder gerade auch Frankreich wird sehr viel unkomplizierter gefördert.

Standort Vay, einer der Pioniere in der Urban Tech Republic – Berlin TXL 36 FACHKRÄFTE 44 Integration So können Menschen aus Nicht-EU-Ländern beruflich in Deutschland Fuß fassen 46 Matching IntegrationWorks setzt auf KI und Passgenaue Besetzung 48 Recruiting Aivy unterstützt mit Software bei der Fachkräftesuche 49 Bildung Stiftung Kinder forschen lädt zum MINTmach-Fest 50 Ausbildungsmarketing Zweirad Stadler gewinnt durch Schulkooperationen Auszubildende SERVICE 54 Grüner Wasserstoff Blick auf Berliner Pläne zu Produktion und Nutzung 56 Arbeitsmarkt Beratungsstelle für Inklusion im Unternehmen 58 Beratung Regeln fürs Public Viewing mit Alkoholausschank 59 IHK vor Ort Pop-up-Büro der IHK zieht von Reinickendorf weiter nach Tempelhof-Schöneberg 60 Sachverständigenwesen Prof. Dr. Fidelio Tata erstellt Gutachten als Experte für Wertpapiere und Derivate 61 Handelsrecht Schwellenwerte für Buchführungspflichten per Gesetz angehoben 62 Gründerszene Wann der Influencer als Investor zum Start-up passt 03 Editorial | 06 Entdeckt | 49 Impressum | 53 Seminare 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de FOTOS: GETTYIMAGES/FSTOP/CASPAR BENSON (ARTWORK: ASCS/CLARA NABI), AMIN AKHTAR, VAY; ILLUSTRATION: ASCS/MINA KIM Berliner Wirtschaft 06 | 2024 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

Liebe geht durch den Magen, sagt man. Wo Menschen zusammen kochen, essen und reden, entsteht aber auch Verständnis, werden Brücken ge- schlagen. Genau das ist das Ziel des Dr & Dr Middle Eastern Culture and Food Lab der Zwillingsschwestern Sahar und Forough Sodoudi (Foto, v. l.). Die Frauen – in Berlin geboren, in Teheran aufgewachsen und beide promovierte Naturwissenschaftlerinnen – wagten vor fünf Jahren mit ihrem kulinarisch-kulturellen Konzept in Kreuzberg den Sprung ins Unternehmerinnen-Dasein. Zu persischen Speisen für Gaumen und Auge gibt es Geschichte und Geschichten aus dem Iran, dessen Vielfalt und Traditionen oft hinter Schlagzeilen über Mullahs und Unterdrückung verschwinden. Jüngst haben die Schwestern ein Kochbuch veröffentlicht. Es heißt wie das Leitwort an der Studiowand: „Hier fließt die Liebe“. Schwesterlich FOTO: ULRICH SCHUSTER Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Entdeckt | 07 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

„Auch in Berlin mussten wir feststellen, dass 2023 zwar mehr Jugendliche einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben, die Zahl der Vertragslösungen im ersten halben Jahr aber ebenfalls zugenommen hat. Was wir jetzt brauchen, ist ein gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten, um entlang der gesamten Bildungskette Jugendlichen das Rüstzeug für eine erfolgreiche berufliche Karriere zu vermitteln.“ Der Berufsbildungsbericht 2024 weist besorgniserregende Zahlen zu den Vertragslösungen aus Gemeinsamer Kraftakt gesagt Straßenumbenennungen sind für Anrainer aufwendig, gerade Gewerbetreibende stellt dieser Adresswechsel ohne Umzug vor besondere Herausforderungen, selbst in digitalen Zeiten. Umso größer der Frust über das chaotische Verfahren im Fall der Kreuzberger Audre-Lorde-Straße. Monatelang blieben Informationen, neue Straßenschilder und Hausnummern Fehlanzeige. Im Juni sollen die Schilder nun hängen und gefeiert werden. Einen Teil der Manteuffel- straße neu zu benennen, folgt dem Muster der Kochstraße im selben Bezirk, die seit 2008 zur Hälfte Rudi-Dutschke-Straße heißt. Der Studentenführer hätte wohl heute keine Chance mehr. Noch immer aber trägt ein Büro- und Geschäftshaus an „seiner“ Straße trotzig den Schriftzug „Kochstraße 60“. So viel Widerstandsgeist hätte ihm vielleicht gefallen. Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Straßenkampf typisch berlin 337 Mio. Euro wird die Stromnetz Berlin GmbH 2024 investieren. Insgesamt will sie in den kommenden fünf Jahren mit mehr als zwei Mrd. Euro das Netz erweitern und für die Energie-, Wärme- und Mobi1itätswende umbauen. Stefan Spieker, Vizepräsident IHK Berlin Kompakt | 08

Pharma Sonstige Fahrzeuge, insbesondere Motorräder Geräte zur Stromerzeugung und -verteilung Medizintechnik Gasturbinen Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik Maschinen Fahrgestelle, Motoren und andere Kraftfahrzeugteile Elektrotechnik Mineralölerzeugnisse 14,7 10,0 8,2 6,3 5,9 4,2 3,7 3,7 1,8 1,8 in Prozent 11 % E- und Hybrid-autos fahren mittlerweile durch Berlin. In absoluten Zahlen sind es 36.000 Elektro- und 103.000 Hybrid-Fahrzeuge. Insgesamt sind 1,24 Mio. Autos in der Hauptstadt zugelassen. Pharma beim Export vorn Den größten Anteil an den Ausfuhren der Berliner Wirtschaft hat die pharmazeutische Industrie. Es folgen Motorräder und Geräte zur Stromerzeugung berliner wirtschaft in zahlen Patrick Schulze, IHK-Experte für Statistik Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@berlin.ihk.de der deutschen Exporte werden von Unternehmen aus Berlin ausgeführt. 1,1 % Wärmegeschäft an Berlin übertragen Vattenfall kopf oder zahl Lia Carlucci Anja-Katherina Hillert ist neue Geschäftsführerin des Food Campus Berlin. Sie löst Jörg Reuter ab, der in eine aktive Beirats-Rolle wechselt. Lia Carlucci hat mehr als zehn Jahre Erfahrung an der Schnittstelle Lebensmittel, Innovation und Industrie. Sie hat eigene FoodStart-ups aufgebaut und Europas größtes Netzwerk für Ernährungsexperten mitgegründet. ist zum Chief Financial Officer bei der eClear AG ernannt worden. Sie wird eine zentrale Rolle bei der Steuerung der Finanzstrategie und des Unternehmenswachstums einnehmen. Vor ihrem Wechsel zu eClear hat sie als Partnerin für Ernst & Young gearbeitet. Davor war die Juristin für Porzio Bromberg & Newman in New York sowie für KPMG tätig. Vattenfall hat den Verkauf seines Wärmegeschäfts an das Land Berlin abgeschlossen. Alle Anteile an der Vattenfall Wärme Berlin AG, inklusive der Kraftwerke, Netze, Tochtergesellschaften, Beschäftigten und Beteiligungen, wurden damit übertragen. Der Kaufpreis beträgt rund 1,4 Mrd. Euro. Um bis 2030 wie geplant 40 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen und ab 2040 Klima- neutralität zu erreichen, sind weitere Milliardeninvestitionen des Landes nötig. Rund 1.800 Beschäftigte sind nun künftig für die landeseigene Gesellschaft Berliner Energie und Wärme AG tätig. bw FOTOS: GETTY IMAGES/MIRAGEC, AMIN AKHTAR, ECLEAR, JULE FROMMELT, POLESTAR Grafiken: BW Quelle: Destatis, Investitionsbank Berlin Kompakt | 09 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

seit der Corona-Krise. Noch stärker eingetrübt hat sich das Konjunkturklima bei den überwiegend personenbezogenen Dienstleistern. Und da auch unternehmensbezogene Dienstleister von schlechteren Geschäften und vor allem auch von skeptischen Erwartungen berichten, lässt sich dies nur als Bremssignal für die Konjunktur deuten. In Industrie und Handel unterdessen bleiben die Geschäfte und Erwartungen, verglichen zum Jahresbeginn, teils stabil, teils verbessern sie sich moderat. Für Bau- und Gastgewerbe wiederum hellt sich das konjunkturelle Klima deutlich auf – jedoch auf teils niedrigem Niveau. Die eher skeptischeren Erwartungen und die schwache Lagebeurteilung lassen die Unternehmen bei Investitionen und dem Beschäftigungsaufbau weiter vorsichtig agieren. Es sind vor allem Zinsen, Energiepreise, Fachkräftemangel – wenn es wieder aufwärts gehen soll in der Berliner Wirtschaft, müssen sich die Rahmenbedingungen ändern von Patrick Schulze Konjunkturklima bleibt getrübt Wer hoffte, die Berliner Konjunktur werde im ersten Quartal 2024 endlich wieder auf einen Aufschwungspfad zurückfinden, sieht sich enttäuscht: Der Geschäftsklimaindex, der sich aus aktueller Lage und Erwartungen errechnet, verliert sechs Punkte im Vergleich zum Jahresbeginn. Da in der aktuellen Umfrage Lage- und Erwartungsindikator zurückgehen, deutet im Moment nichts auf einen bevorstehenden konjunkturellen Aufschwung hin. Ungewöhnlich ist, dass das Berliner Dienstleistungsgewerbe, sonst ein konjunktureller Anker der Berliner Wirtschaft, zur aktuellen Umfrage von einem eingetrübten Geschäftsklima berichtet. So kommt der Klimaindikator der IT-Dienstleister auf den niedrigsten Wert Berliner Wirtschaft 06 | 2024 agenda

Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin die Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche, die eine Erholung des Gesamtindikators ausbremsen. Der Saldo für die Dienstleister sank auf einen für den in Berlin so wichtigen Sektor vergleichsweise schwachen Wert. Dagegen konnte sich der Indikator in der Industrie, dem Handel und im Gastgewerbe erholen. Der Saldo zu der Investitionsintensität steigt leicht um einen Punkt und verbleibt damit zum dritten Mal in Folge auf relativ niedrigem Niveau. Auch hier sind es die Dienstleistungsunternehmen, die bremsend wirken, da sie ihre Investitionsintensität verringern wollen. Dagegen wollen die Industrieunternehmen und das Baugewerbe wieder deutlich mehr investieren. Nach ihrer Finanzlage befragt, geben 62 Prozent der Unternehmen an, dass sie keine Beeinträchtigung wahrnehmen. Das sind zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Als Probleme werden inzwischen häufiger die Zinshöhe, die notwendigen Sicherheiten und die Dokumentationspflichten genannt. Die Zinshöhe wird von jedem fünften Unternehmen als problematisch angeführt. Die beiden Letztgenannten werden von 13 beziehungsweise 12 Prozent der Unternehmen genannt und fallen damit jeweils vier Punkte höher aus als im Vorjahr. Neben den strukturellen und konjunkturellen Herausforderungen stehen die Unternehmen damit auch zunehmend finanziellen Hürden gegenüber. Mehr Hürden als Chancen Es wird immer deutlicher, dass auch die Berliner Wirtschaft in einer strukturellen Krise steckt. Sie mag im Vergleich zu anderen deutschen Bundesländern etwas schneller wachsen. Doch von einem stabilen Wachstumstrend kann keine Rede sein. Die Unternehmen sehen immer mehr Hürden und immer weniger Chancen. Der Inlandsabsatz bereitet inzwischen drei von vier Unternehmen Kopfzerbrechen. Mehr als die Hälfte der Befragten leidet unter den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Noch immer nennt ein Drittel die Energiepreise ein unternehmerisches Risiko, und 42 Prozent ringen mit dem Fachkräftemangel. Inlandsabsatz, Fachkräftemangel, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Die Bewertung dieser Risiken durch die Unternehmen kennt seit einem Jahr nur eine Richtung – nach oben. Um der Wirtschaft wieder einen soliden Wachstumspfad zu eröffnen, muss das Gegenteil geschehen – die Risiken müssen endlich wieder abnehmen. ■ 108 Zähler beträgt der Konjunkturklimaindex aktuell, sechs Punkte weniger als zum Jahresbeginn. 62 % der Berliner Unternehmen sehen ihre Finanzlage aktuell nicht beeinträchtigt. Patrick Schulze, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@ berlin.ihk.de Konjunkturklimaindikator Die negative Stimmung im Berliner Dienstleistungsgewerbe bremst eine Erholung des Gesamtindikators aus Indikatoren für das Konjunkturklima Die Geschäftserwartungen haben sich gut entwickelt, die Investitionsbereitschaft nimmt ab (Angaben in Prozent) 150 Konjunkturklimaindikator 60 148 86 50 75 100 125 2014 '15 '16 '17 '18 '19 '20 '21 '22 '23 '24 jeweils zum Jahresbeginn, im Frühsommer und im Herbst 108 46 35 19 Geschäftslage JB 2024 51 21 28 JB 2024 29 22 40 9 JB 2024 57 22 21 JB 2024 51 32 17 FS 2024 60 21 19 FS 2024 23 24 47 6 FS 2024 60 23 17 FS 2024 gut befriedigend schlecht Geschäftserwartungen Investitionspläne Beschäftigungspläne gleichbleibend günstiger ungünstiger steigend gleichbleibend fallend steigend gleichbleibend fallend keine FOTOS: GETTY IMAGES/JIOJIO, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Konjunktur | 11 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Für ihren Kongress zur Stadtgestaltung am 10. Juni präsentiert die IHK fünf zentrale Botschaften zu Herausforderungen, die es gemeinsam zu lösen gilt von Sebastian Siewert Impulsgeber der Wirtschaft Die IHK Berlin geht neue Wege, um ihre Position als Impulsgeber für die Wirtschaft der Hauptstadt zu stärken. Für den Kongress „Weltmetropole.Berlin leben & gestalten“ am 10. Juni im Ludwig Erhard Haus präsentiert die IHK erstmals fünf zentrale Botschaften zu aktuellen Herausforderungen der Stadtgestaltung. Die Themen spiegeln die vielfältigen Facetten der Berliner Wirtschaft wider – von Elektromobilität über Umweltschutz bis hin zu mangelndem Wohnungsbau und fehlenden Gewerbeflächen. Was diese Kommunikation besonders macht, ist ihr erstmaliger Out-of-Home-Einsatz. Die Botschaften werden vom 28. Mai an für zwei Wochen im Berliner Stadtzentrum präsentiert, um eine Karina Stolte, IHK-Public-Affairs- Managerin Stadtentwicklung Tel.: 030 / 315 10-446 karina.stolte@ berlin.ihk.de Kongress Detailliertes Programm und Anmeldung unter: ihk.de/berlin/welt- metropole breite und zielgerichtete Reichweite zu ermöglichen. Die IHK setzt dabei nicht nur auf klassische Werbeträger, sondern geht einen Schritt weiter: Eine programmatische Digital Out-of-HomeKampagne wird über Geo-Targeting speziell auf Unternehmerinnen und Unternehmer ausgespielt. Diese innovative Herangehensweise ermöglicht es der IHK, ihre Botschaften gezielt dort zu platzieren, wo ihre Zielgruppe aktiv ist. Zudem wird die Kampagne in zwei Wellen mit einer umfassenden Marktforschung begleitet. Ziel ist es nicht nur, die Wirkung der Kommunikation zu messen, sondern auch ein Meinungsbild zur Bekanntheit der IHK zu erhalten. Diese Erkenntnisse sollen zukünftige Maßnahmen noch gezielter steuern und optimieren. ■ ProgrammHighlights Key-Note-Speaker Prof. Carlos Moreno erläutert sein Konzept der „15-Minuten-Stadt“. Hochkarätige Gäste Gesprächspartner sind Berliner Senatorinnen und Senatoren, etwa Franziska Giffey. Standort-Dialog Senator Christian Gaebler und Andreas Krüger (Belius GmbH) diskutieren über Stadtentwicklung. Start-up-Stage Von nachhaltigem Zement bis zu Service- robotern: Disruptive Player zeigen, wohin die Reise gehen kann. ILLUSTRATION: ISTOCK.COM/VISUAL GENERATION/IHK BERLIN AGENDA | Stadtentwicklung | 12 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Gemeinsam stolz sein auf Berlin Bei aller berechtigten Kritik an unserer Stadt sollten wir häufiger auf das Erreichte zurückblicken, denn dazu gibt es allen Grund! I n den vergangenen Jahren – insbesondere nach der Pandemie – habe ich leider beobachten müssen, wie wir Berlinerinnen und Berliner viel zu oft vergessen, dass wir das Privileg haben, in einer wahren Weltmetropole zu leben. Darauf können wir nicht nur zu Recht stolz sein, wir sollten es auch! Als gebürtiger Berliner empfinde ich genau diesen Stolz auf unsere Stadt, denn Berlin ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa einzigartig und ein internationaler Leuchtturm. In meiner letzten Kolumne habe ich einige Wahrzeichen und Besonderheiten dieser Stadt hervorgehoben. Heute geht es mir um unsere ganz konkreten täglichen Erfolge, von denen wir ohne jeden Zweifel eine Menge vorzuweisen haben. Ich bin stolz darauf, ein Teil dieser internationalen Gesellschaft sein zu dürfen. Gleichzeitig bin ich ebenfalls stolz auf die Menschen Berlins, die täglich mit Erfolg zahlreiche Gelegenheiten nutzen, um unserer Stadt beim Wachstum beziehungsweise bei der internationalen Entwicklung behilflich zu sein. Dabei sind wir mit uns selbst oft besonders kritisch. Doch Berlin wird im Ausland längst als das gesehen, was es ist: eine internationale Metropole von Weltrang. Selbstverständlich gibt es auch in Berlin berechtigte Kritikpunkte. Diese betreffen beispielsweise den Verkehr, die Flughafenanbindungen oder die Wohnungsknappheit. Nichtsdestotrotz sollten wir gemeinsam öfter zurückblicken und stolz auf das sein, was wir gemeinsam erreicht haben. Es war ein harter Weg bis hierher, und es wird sicherlich auch ein umso härterer Weg in die von uns gewünschte und mit großem Fleiß angestrebte Zukunft dieser Stadt. Die Unternehmerinnen und Unternehmer Berlins arbeiten täglich mit großem Fleiß und Ambitionen an Erfolgen, die von den meisten Menschen kaum zur Kenntnis genommen werden, weil wir nicht die Gewohnheit haben, laut und eitel zu sein. Doch diese Erfolge tragen zum stetigen Wachstum und zur positiven Entwicklung unserer Stadt bei. Unsere Start-upSzene ist das beste Beispiel dafür. Lassen Sie uns die Einzigartigkeiten Berlins gemeinsam mit Stolz in die Welt tragen, um noch mehr Menschen für unsere Weltmetropole zu gewinnen. Die Anzahl unserer Universitäten, die Kulturvielfalt, die Natur, die Gastronomie sowie das internationale Gesicht unserer Stadt – vertreten durch Menschen aus über 170 verschiedenen Nationen – bilden alle Voraussetzungen für ein glückliches und erfolgreiches Leben für uns alle ab. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Birol Becer ist Präsidiumsmitglied der IHK Berlin und geschäftsführender Inhaber der Ferdinand Dameris GmbH & Co. Strumpfwarenproduktion und -handel KG FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 13 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

IHK Berlin und DIHK Service GmbH gründen das bundesweit erste Bündnis für Biodiversität von Wendy Brandt und Björn Barutzki Für den Erhalt der Arten Dass neben der Klimakrise der gravierende Verlust der Artenvielfalt eines der drängendsten Themen unserer Zeit ist, wird in Politik und Medien, aber auch Wirtschaft und Unternehmertum noch zu wenig thematisiert. Rund 3,8 Mrd. Euro ist allein die Bestäubungsleistung von Insekten in Deutschland wert. Die biologische Vielfalt – also die Vielfalt der Ökosysteme, die Artenvielfalt und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten – ist bereits heute sehr stark gefährdet, und damit sind es auch die globalen Wirtschaftsgrundlagen. Trotz eines wachsenden Bewusstseins für das Thema, unter anderem durch immer mehr Berichtspflichten, ist nicht zuletzt die Datenerhebung eine große Herausforderung, wenn es Gemeinsames Ziel: Simon Margraf, IHK Berlin, Sofie Geisel, DIHK, und Dr. Andreas Knieriem, IHK-Präsidiumsmitglied und Vorstand Zoologischer Garten Berlin AG (v. l.) darum geht, Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität zu entwickeln. Diesem Umstand begegnet das bundesweit erste Biodiversitätsbündnis für Unternehmen, das die IHK Berlin am 25. April dieses Jahres gemeinsam mit dem Verbundprojekt „Unternehmen Biologische Vielfalt“ der DIHK Service GmbH gegründet hat. „Biodiversität ist ein Wirtschaftsfaktor“, stellte Sofie Geisel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und Geschäftsführerin der DIHK Service GmbH, bei der Gründungsveranstaltung klar. „Der Rückgang der Ökosysteme und ihrer Leistungen gefährdet die Geschäftsmodelle in zunehmendem Maße.“ Im Berliner Bündnis für Biodiversität übernimmt die IHK die Aufgabe eines regionalen Netzwerk- und Ansprechpartners, da insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen im Austausch unterstützt werden sollen. Das Bündnis will Unternehmen für die ökonomische Bedeutung der Biodiversität sensibilisieren und sie dazu ermutigen, entsprechende strategische Maßnahmen zu ergreifen. Durch Fachvorträge und Workshops sowie Begehungen von Firmengeländen und weiteren Vernetzungsformaten soll die Abhängigkeit von intakten Ökosystemen verdeutlicht werden. Das Bündnis wird den Austausch von Best Practices begleiten, um Unternehmen bei der Integration von Biodiversität in ihre Strategien zu unterstützen. Verbesserungspotenziale zu identifizieren, konkrete Ziele festzulegen, das eigene Biodiversitäts-Know-how zu stärken und Maßnahmen umzusetzen, sind dabei die erarbeiteten Leitlinien. ■ Björn Barutzki IHK-Fachkoordinator Nachhaltigkeit Tel.: 030 / 315 10-657 bjoern.barutzki@ berlin.ihk.de Bündnis für Biodiversität Alle Infos und Mitglieder des Bündnisses unter: ihk.de/berlin/ biodiversitaet-bw Wendy Brandt IHK-Public-Affairs- Managerin Tel.: 030 / 315 10-410 wendy.brandt@ berlin.ihk.de FOTO: KONSTANTIN GASTMANN AGENDA | Nachhaltigkeit | 14 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Richtungweisend auch für die Wirtschaft: Landeswahlleiter Prof. Dr. Stephan Bröchler erläutert in zwei Antworten die enorme Relevanz der Europawahl für Berlin Luftbrücke der Demokratie krieges auf die Ukraine ein wichtiges Zeichen für eine regelbasierte friedliche Ordnung Europas. Der Wahltag 9. Juni kann damit symbolisch zu unserer Berliner Luftbrücke der Demokratie werden. Zweitens bestimmen die Stimmen Berlins im Europäischen Parlament darüber mit, in welche Richtung sich die Debatte über die Zukunft der EU entwickelt: in Richtung eines Staatenbundes, in dem die gewählten nationalen Regierungen am Ende entscheiden, oder in Richtung eines europäischen Bundesstaates mit einer vom Parlament gewählten Regierung. Drittens ist es für Berlin wichtig, dass die rund 30.000 jungen Erstwählerinnen und Erstwähler das Wahlrecht ergreifen. Denn erstmals haben junge Bürgerinnen und Bürger mit 16 Jahren das Recht, die Abgeordneten im Europäischen Parlament direkt zu wählen. Last but not least ist die Europawahl für Berlin wichtig, weil viele essenzielle wirtschaftliche Entscheidungen für die hiesigen Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr allein am Wirtschaftsstandort Deutschland beziehungsweise Berlin, sondern auch in Brüssel getroffen werden. Mit der Stimm- abgabe bei der Europawahl kann Berlin auch diese Interessen zur Geltung bringen. Was kann die Berliner Wirtschaft tun, damit die Europawahl ein voller Erfolg wird beziehungsweise eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent erreicht wird? Das Engagement der Berliner Wirtschaft für den Erfolg der Europawahl ist für die Demokratie und die Unternehmen gleichermaßen eine Win-win-Situation. Eintreten für Wahlen und Demokratie leistet einen wichtigen Beitrag für den hiesigen Wirtschaftsstandort. Die Berliner Unternehmen gewinnen für dringend nachgefragte Fachkräfte wie auch für Kundinnen und Kunden an Attraktivität. Zwei Ansatzpunkte versprechen besonderen Erfolg. Erstens die Sensibilisierung für die Bedeutung der Europawahl 2024 auf allen Ebenen der Unternehmen. Zweitens die Strategie des Going-public. Öffentliche Aufrufe, als Wahlhelferinnen und Wahlhelfer aktiv zu werden und zur Wahl zu gehen, gerne auch in Kooperation mit dem Landeswahlleiter für Berlin. ■ Ein demokratisches Europa nützt auch der Wirtschaft: Prof. Dr. Stephan Bröchler, Landeswahlleiter für Berlin Welche Bedeutung hat die Europawahl für Berlin? Es gibt ein ganzes Bündel von guten Gründen, warum die Europawahl am 9. Juni 2024 für Berlin wichtig ist. Ich möchte vier Argumente herausgreifen, die mir besonders wichtig sind. Erstens können wir, die rund 2,5 Millionen wahlberechtigten Berlinerinnen und Berliner und EU-Auslandsdeutschen, zum Ausdruck bringen, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament uns gerade in der Zeitenwende wichtig sind. Ein Zeichen für ein starkes demokratisches Europa zu setzen, ist angesichts des russischen AngriffsWahlprüfsteine Europapolitische Positionen der IHK Berlin unter: ihk.de/ berlin/europawahl-bw Christopher Gocza, IHK-Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-218 christopher.gocza@ berlin.ihk.de FOTO: SVEN DARMER Europawahl | 15 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Von Bürokratie bis Außenhandel: Vor der Europawahl hat die IHK Berlin Parteien zu Themen befragt, die die Wirtschaft umtreiben Politische Positionen Bürokratieabbau Welche konkreten Maßnahmen will Ihre Partei für den Büro- kratieabbau auf europäischer Ebene ergreifen? Fachkräfte Der EU-Arbeitsmarkt steht im Wettbewerb mit den USA, Kanada und anderen Wirtschaftsräumen. Wie wollen Sie die Anziehungskraft des EU- Arbeitsmarktes für internationale Talente erhöhen? Innovation Für die Entwicklung von Innovation und neuen Geschäftsmodellen spielt der Zugang zu Daten für Unternehmen eine entscheidende Rolle. Wie will Ihre Partei Unternehmen hier unterstützen? Energie Mit welchen konkreten Maßnahmen auf europäischer Ebene wollen Sie sich dafür einsetzen, dass europäische Energie- versorgung unabhängiger von fossilen Energien ist? Außenhandel Welche Schwerpunkte wollen Sie in der EU-Handelspolitik für die neue Legislatur setzen? Wie stehen Sie zu weiteren Freihandelsabkommen? Für jede neue Regelung wollen wir zwei alte abschaffen. Es muss einen Bürokratiestopp geben. Gesetzgebung muss sich auf strategische Bereiche konzentrieren und zusammen mit der Wirtschaft erfolgen. Ursula von der Leyen hat sich auf einen Bürokratieabbau um 25 Prozent verpflichtet. Die EU ist eine Rechtsgemeinschaft. Die SPD setzt sich vorrangig dafür ein, nicht nur die Quantität in den Blick zu nehmen, sondern die Qualität der Rechtssetzung zu verbessern. Darüber hinaus möchte die SPD die Berichtspflichten vereinfachen und digitalisieren. Wir werden neue Gesetze auf die Auswirkungen auf KMU prüfen und für angemessene Ausnahmen und Übergangsfristen sorgen. Durch die Digitalisierung der Verwaltung und das Once-Only- Prinzip können Berichtspflichten reduziert und Antragsverfahren vereinfacht werden. Der EU-Arbeitsmarkt punktet mit Mobilität in 27 EU-Länder und Schutzstandards für Beschäftigte, wir streben eine höhere Tarifbindung an. Wir setzen uns für eine konsequente Digitalisierung der Verfahren rund um die Arbeitsaufnahme von qualifizierten Fachkräften in der EU ein. Die SPD möchte Bildungs- und Berufsanerkennung vereinfachen, die Mobilität von Fachkräften fördern und klare Einwanderungs- regelungen schaffen. Zudem fördert sie gute Arbeit und Löhne sowie Weiterbildungschancen und eine stabile soziale Sicherung, um Arbeitskräfte zu finden und zu halten. Wir setzen uns für eine umfassende EU-Fachkräftestrategie ein. Bei der Anwerbung aus Drittstaaten sollte die EU-Blue- Card-Initiative auf nicht akademische Berufe ausgeweitet werden, sofern ein konkretes Jobangebot zu marktüblichen Konditionen vorliegt. Wir wollen eine echte Digital- und Datenunion mit einem modernen Wettbewerbsrecht und hochklassiger digitaler Infra- struktur, europäischer Cloud sowie europäischen Speicher- und Rechenkapazitäten. Datennutzung soll Chancen ermöglichen und kein Risiko sein. Die SPD möchte Unternehmen durch die Schaffung einer euro- päischen Dateninfrastruktur unterstützen, indem Datenräume etabliert und klare Regeln für Datennutzung sowie Datenschutz eingeführt werden. Dadurch sollen Unternehmen sicher und einfach auf relevante Daten zugreifen können. Wir wollen die transferorientierten Programmbestandteile von Horizon Europe ausbauen und für KMU attraktiver machen, regionale Innovationsökosysteme besser finanzieren und mit One-Stop-Shops sowie einem digitalen Kompass für Förderprogramme junge Gründer*innen fördern. Wir wollen den Energie-Binnenmarkt stärken: durch bessere, grenzüberschreitende Energie- infrastruktur und technologie- offene Energieforschung. Das Potenzial aller CO2-armen Technologien muss ausgereizt und die Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern bei Energie- importen verstärkt werden. Die SPD möchte den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Um den Austausch zwischen den Ländern zu erleichtern, setzt sie sich für ein europäisches Stromnetz ein. Zudem sollen innovative Technologien wie Wasserstoff und Energieeffizienzprojekte gefördert werden. Wir bauen erneuerbare Energien als Teil einer aktiven Wirtschafts- und Industriepolitik EU-weit massiv aus und werden den Hochlauf der Produktion von grünem Wasserstoff sowie den Bau eines europäischen Wasser- stoffkernnetzes entschlossen vorantreiben. Wir brauchen eine strategische EU-Handelspolitik: mehr Diver- sifikation. Mehr Freihandels- abkommen ohne Überfrachtung mit sachfremden Themen. Ausbau der Energie- und Rohstoffpartnerschaften. Besserer Zugang unserer Unternehmen zu ausländischen Digitalmärkten. Die SPD möchte multilaterale Strukturen stärken und kritische Bereiche wie öffentliche Daseinsvorsorge schützen. Dabei setzt sie den Schwerpunkt auf faire Handelsabkommen, die hohe Umwelt- und Sozialstandards einhalten und in denen europäische Werte verankert sind. Wir setzen auf Handelsabkommen auf Augenhöhe mit Partnern wie Australien, Indien und den Ländern Lateinamerikas und Südostasiens, die sich zu einem regelbasierten Welthandel bekennen. Mit hohen Standards schützen wir unsere Unternehmen vor einem Unterbietungs- wettbewerb. AGENDA | Europawahl | 16 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

9. Juni 2024 Europawahl Wir fordern einen „Bureaucracy Reduction Act“, um die Wirtschaft von mindestens 50 % der Bürokratielasten zu befreien, Kosten der Bürokratie müssen erfasst werden. Verordnungen müssen wo möglich mit einem konkreten Ablaufdatum beschlossen werden. Ämter brauchen ausreichend Personal, um Anfragen und Anträge zügig zu bearbeiten. Regeln sollten klar und transparent sein. Nachweispflichten und Kontrollen sichern fairen Wettbewerb und schützen damit Unternehmen, die die Regeln einhalten, vor unlauterer Konkurrenz. Die EU sollte sich darauf beschränken, den Rahmen des europäischen Freihandels zu gestalten und fairen Wettbewerb zu garantieren. Das Lieferkettengesetz oder die Vergaberichtlinie müssen zurückgenommen werden. Dokumentationspflichten für KMU gehören reduziert. Das Dickicht aus EU- und natio- nalen Vorschriften muss durch vereinfachte Regeln ersetzt, das EU-Beihilfe- und Vergaberecht reformiert werden, um Bürokratie ab- und öffentliche Gestaltungsspielräume durch höhere Schwellenwerte für EU-weite Ausschreibungen aufzubauen. Wir fordern ein einjähriges Orientierungsvisum für Absolventen der weltweit besten Universitäten für alle EU-Länder, einen europäischen Talentpool mit Punktesystem, weitere Öffnung der Blue Card für nicht akademische Fachkräfte inklusive Senkung der Mindestgehaltsgrenzen. Um ausreichend Fachkräfte zu gewinnen, brauchen wir gute Löhne und Arbeitsbedingungen sowie deutlich höhere Investitionen in Bildung und Ausbildung. Fachkräfte aus anderen Ländern brauchen langfristig sichere Aufenthaltstitel, damit sie sich für Deutschland entscheiden. Hohe Steuern und Sozialabgaben machen Deutschland für Fachkräfte wenig attraktiv. Wir wollen die Belastung der öffentlichen Haushalte durch Migrationskosten reduzieren und mehr Mittel in eine bessere Ausbildung unserer heimischen Nachwuchskräfte investieren. Den Fachkräftemangel wollen wir primär durch Investitionen in Aus- und Weiterbildung und soziale Daseinsvorsorge beheben. Zudem müssen nationale und EU-Regelungen reformiert werden, um gute Löhne und Arbeitsbedingungen für Fachkräfte aus EU- und Drittstaaten zu sichern. Wir wollen einen Raum der Datenfreiheit und der Daten- sicherheit schaffen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass europäische Forschungsmittel gezielt zur Erforschung von Datenschutztechnologien und -infrastruktur verwendet werden. Forschung zu gesellschaftlich wichtigen Fragen muss öffentlich finanziert werden und die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung öffentlich zugänglich sein. Zudem wollen wir sicherstellen, dass unabhängige Werkstätten Zugang zu Daten vernetzter Geräte erhalten. Wir wollen die digitale Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten stärken, indem wir den Zugang zu Daten verbessern. Unser Ziel ist die Schaffung eines innovativen Binnenmarkts für Daten als Basis der Datenwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen. Die EU-Datenstrategie und der Data Act müssen nachgebessert und die Macht vor allem US-amerikanischer Digital- konzerne zurückgedrängt werden. Die EU muss den Aufbau eigener, nicht kommerzieller digitaler Plattformen (open source) mit hohen Datenschutzstandards forcieren. Wir streben Vollendung des Energiebinnenmarktes und gemeinsame Energieaußen- politik an, wollen Einsatz von Wasserstoff vorantreiben und wollen die Chancen der Fusionstechnologie und von Small Modular Reactors (SMR) nutzen. Die öffentliche Hand soll sich stark am Aufbau der erneuerbaren Energien beteiligen. Wir brauchen massive Investitionen, um Solarfabriken wieder in der EU anzusiedeln. Der Strommarkt muss reformiert werden, um günstigen Strom für alle sicherzustellen. Um Verbraucher zu entlasten und eine weitere Deindustriali- sierung Deutschlands zu verhindern, befürworten wir die von der EU geförderte Rückkehr zur Kernkraft als kostengünstige und zuverlässige Alternative zu fossilen Energieträgern. Erneuerbare Energien, Speichertechnologien und grünen Wasserstoff wollen wir mit EU- und nationalen Programmen fördern; die dezentrale Energie- versorgung stärken. Die EU-Energiesanktionen gegen Russland müssen beendet werden, da Erneuerbare den Bedarf noch nicht decken. Wir stehen für fairen und regelbasierten Handel, mit einer reformierten Welthandels- organisation (WTO) als Grundlage. Wir fordern einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA und MERCOSUR-Staaten sowie ein Freihandelsabkommen mit Australien. Wir setzen uns für internationale Kooperationsabkommen ein, bei denen alle profitieren. Wir wollen Produktion in die EU zurückholen und Rohstoffkreisläufe stärken, um die Versorgung zu sichern. Im Vergaberecht wollen wir den Vorrang regionaler Anbieter festschreiben. Wir streben interessengeleitete Handelsabkommen an, die für die Vertragspartner Einfuhr- erleichterungen und Zollbefreiungen vorsehen. Wir lehnen Handelsabkommen ab, wenn diese intransparent und nicht öffentlich sowie ohne Beteiligung des Bundestages verhandelt werden. Das BSW will eine faire und verlässliche Handelspolitik, um Rohstoff- und Energieversorgung sowie Absatzmärkte für EU-Produkte zu gewährleisten. Handelsabkommen müssen sozial-ökologische Standards beinhalten, um heimische Märkte vor Dumping-Konkurrenz zu schützen. Europawahl | 17 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

INHALT 22 KI mit voller Kontrolle Langdocks Alternative zu ChatGPT hält Daten sicher 24 Netze ändern Nasen Brighter AI: Überwachen ohne Ausspionieren 25 KI verarbeitet Auftrag Workist optimiert Abläufe in Produktion und Großhandel 26 „Der Zinseszinseffekt der KI wird nicht verstanden“ Deepset-Gründer Milos Rusic und Malte Pietsch im Doppelinterview Berliner Wirtschaft 06 | 2024 fokus

KI-Hotspot Forschungseinrichtungen, Netzwerke und smarte Start-ups machen Berlin zur Top-Adresse für künstliche Intelligenz. Damit der Erfolg wächst, muss das Ökosystem gestärkt werden von Eli Hamacher Z wei Buchstaben elektrisieren die Wirtschaft. 14.670.000.000 Einträge finden sich aktuell für KI bei Google, beim englischen Counterpart AI sind es sogar noch einige mehr. Dabei verwendete der amerikanische Informatik-Pionier John McCarthy die Formulierung „Künstliche Intelligenz“ bereits 1956 auf einer Konferenz. Er beschrieb damit das Konzept von Maschinen, die in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die typischerweise menschliche Intelligenz erfordern. Woher rührt also der Hype? „Mit dem Tool ChatGPT hat das Thema über die Medien die breite Masse erreicht, und schnell haben die Fähigkeiten des Systems, etwa zum Steigern der Produktivität, einen Wow-Effekt ausgelöst“, erklärt Laura Möller, die seit Anfang des Jahres das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum (K.I.E.Z.) auf dem AI Campus in Berlin-Mitte leitet. Viele » » FOTO: GETTYIMAGES/FSTOP/CASPAR BENSON (ARTWORK: ASCS/CLARA NABI) Berliner Wirtschaft 06 | 2024 Künstliche Intelligenz | 19

Berliner KI-Start-ups hätten Services entwickelt, die auch für den Mittelstand interessant sind. So verbessert Parloa den Kundenservice, Scoutbee optimiert Beschaffungs- und Lieferketten. Elephant generiert Aus- und Weiterbildung für gewerbliche Mitarbeiter. „Auch bei den KMU ist angekommen, dass KI großes Potenzial birgt, aber in der Umsetzung stehen viele noch am Anfang.“ Das bestätigt auch die aktuelle Digitalisierungsumfrage der IHK Berlin. Kleinere Unternehmen bis 50 Mitarbeitende setzen KI deutlich seltener ein (25 Prozent) als größere (43 Prozent). Auch bei der Planung von neuen Projekten für den KI-Einsatz sind größere Betriebe zurzeit deutlich aktiver. Knapp zwei Drittel planen bereits den (zusätzlichen) KI-Einsatz in absehbarer Zukunft in ihrem Betrieb. Unter den kleineren Unternehmen sind dies gut 35 Prozent. Ein Drittel der KI-Start-ups in Berlin Wie bei den innovativen Fintechs hat sich Berlin bei KI-Start-ups zu einem Hotspot entwickelt. Laut der jüngsten Studie des appliedAI Institute for Europe gab es in Deutschland im vergangenen Jahr 508 KI-Start-ups, davon sitzt rund jedes dritte in Berlin. Damit liegt die Hauptstadt vor Bayern (24,6 Prozent) und Baden-Württemberg (9,6 Prozent). Laut Berlin Partner erwirtschaften die KI-Unternehmen einen Umsatz von 500 Millionen Euro. Trotz Finanzierungsklemme in der Gründerszene erhielten die finanzierten KI-Start-ups laut Studie im Schnitt 14,8 Mio. US-Dollar, der Median lag bei 5,4 Mio. US-Dollar. Neben den Start-ups haben sich zahlreiche weitere Player etabliert. Allein an den Berliner Universitäten und Hochschulen gibt es mehr als 65 Professuren und diverse Forschungsteams zu Themen- und Anwendungsfeldern von KI, darunter das im Juli 2022 gestartete Kompetenzzentrum BIFOLD (The Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data). Das mit Mitteln vom Bundesforschungsministerium und vom Land Berlin geförderte BIFOLD ist eins von fünf KI-Zentren in Deutschland – die übrigen sitzen in München, Dresden/­ Leipzig, Dortmund und Tübingen – und entstand aus der Zusammenlegung von zwei Zentren, die sich mit Big Data und Maschinellem Lernen beschäftigt hatten. So brachte man zusammen, was zusammengehört. „Wir brauchen maschinelles Lernen, um Erkenntnisse aus den gro43 % der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden setzen laut Digitalisierungs- umfrage der IHK Berlin bereits auf KI, kleinere erst zu 25 Prozent. ßen Datenmengen gewinnen zu können“, erklärt Jack Thoms, Managing Director am BIFOLD. Nach abgeschlossenem Aufbau des Zentrums werden sich mehr als 300 wissenschaftliche Mitarbeitende mit KI beschäftigen. Schwerpunktmäßig geht es im BIFOLD darum, wie die immer größeren und heterogenen Datenmengen effizienter genutzt werden können und Echtzeitanalysen ermöglichen. Um den Austausch mit der Wirtschaft zu fördern, wird in gemeinsamen Labs gearbeitet, etwa mit BASF. Das vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Land Berlin geförderte K.I.E.Z. ist das größte Modellvorhaben des Bundes zur Stärkung wissenschaftsbasierter KI-Start-ups. Gefördert werden wissenschaftsbasierte KI-Teams über den gesamten Start-up-Lifecycle: von der Proto- typenentwicklung über die Geschäftsmodellierung bis zur frühen Wachstumsphase. Seit der Gründung im Jahr 2021 konnten die mittlerweile zwölf Beschäftigen von K.I.E.Z. bereits mehr als 60 KI-Start-ups fördern. Allein 28 junge KI-Firmen haben das sechsmonatige Accelerator-Programm auf dem Merantix AI Campus in Berlin-Mitte erfolgreich abgeschlossen. Unterstützt wurden die Start-ups vor allem mit KI-Know-how sowie Zugang zu Kapitalgebern und zu einem starken Berliner Ökosystem. Florian Schütz, Geschäftsführer des Ende 2021 gegründeten Vereins KI Park, will KI-Innovationen in Deutschland und Europa beschleunigen. Aus Berlin knüpft KI Park gerade ein europaweites Netzwerk mit Ablegern in Nürnberg-Erlangen, im Ruhrgebiet, in Stockholm, Österreich und der Schweiz. „Ziel ist es, unterschiedliche lokale Aktivitäten in KI-Hochburgen zu fördern und ortsübergreifend mit den anderen Standorten zu vernetzen“, sagt Schütz. So sei für Berlin das Thema KI für den öffentlichen Sektor wichtig, in Bayern etwa seien es die Bereiche Kommunikationstechnologie und Recht. Geldgeber des Vereins sind die aktuell 142 Mitglieder. Unter ihnen finden sich neben großen Unternehmen wie VW, Schäffler und HP auch Mittelständler und Start-ups, dazu Forschungseinrichtungen wie DLR, Acceleratoren wie K.I.E.Z, Transfer- büros von Universitäten und Verbände. Im KI Park tauschen sich die Mitglieder aus, identifizieren die für sie relevanten KI-Trends und arbeiten gemeinsam an Projekten. Trotz geballter Stärken und vieler Chancen mangelt es nicht an Herausforderungen. Für FOKUS | Künstliche Intelligenz | 20 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

IHK-Vizepräsidentin Sonja Jost ist künstliche Intelligenz eine der wichtigsten Schlüssel- und Querschnittstechnologien unserer Zeit. Berlin verfüge auf diesem Gebiet über enormes Potenzial und starke Einzelinitiativen. „Doch aktuell wird dabei zu häufig neben- statt miteinander gearbeitet. Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgerufen, die einzelnen Initiativen stärker miteinander zu verbinden. Das hilft der Sichtbarkeit in- und außerhalb der Stadt.“ Zusätzlich könnten nur so Synergien geschaffen werden, die die Entwicklung und Anwendung von KI-Lösungen beschleunigen. “ Vielfalt der Akteure: Stärke und Schwäche Aus Sicht von Sonja Jost ist Transfer von Wissen aus der exzellenten Berliner KI-Wissenschaft in die Anwendung für die Entwicklung der gesamten Stadt von entscheidender Bedeutung. „Egal, ob wir beispielsweise über den Bereich Mobilität reden oder die Schaffung komplett neuer Materialen: Berlin kann als Standort weltweit eine führende Rolle beim Thema KI einnehmen, wenn wir es schaffen das KI-Ökosystem zu stärken. Packen wir es an!“ Auch Jack Thoms vom BIFOLD sieht Handlungsbedarf. „Unsere Stärke als KI-Standort ist zugleich unsere Schwäche. Wegen der Vielfalt der Akteure ist es schwieriger, mit einer Stimme zu sprechen und ein klares Profil zu entwickeln.“ Neben universitären Zentren wie BIFOLD gibt es weitere Forschungsgruppen an den Unis und außeruniversitäre Einrichtungen wie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Alt-Moabit, vier Fraunhofer-Institute, die sich wissenschaftlich mit KI beschäftigen sowie Grundlagenforschungseinrichtungen wie die Exzellenzcluster MATH+ oder das Science of Intelligence. Zu international beachteten Playern gehört die Berliner Start-up-Schmiede Merantix. Last but not least sitzt der Bundesverband Künstliche Intelligenz in Berlin. Um die Stärken besser zu bündeln, arbeiten BIFOLD, K.I.E.Z., IHK Berlin und die Wirtschaftsförderer Berlin Partner daran, einen physischen Ort für KI-Forschung in Berlin zu entwickeln, an dem sich die Player aus der Berlin Wissenschaft und Wirtschaft, aber auch internationale Gäste austauschen und vernetzen können. Thoms: „Das würde die Sichtbarkeit unserer Leistungen im Bereich KI stärken.“ ■ Henrik Holst, IHK-Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-623 henrik.holst@berlin.ihk.de Anna Borodenko, IHK-Koordinatorin für Digitalisierung, IT-Sicherheit und KI Tel.: 030 / 315 10-522 anna.borodenko@ berlin.ihk.de Service zu KI KI bei Berlin Partner: digital-bb.de/ innovationsfelder/ kuenstliche-intelligenz Anwendungsszenarien und KI-Trainingsangebote der IHK Berlin: ihk.de/berlin/ki-bw IHK-Veranstaltung Zum Zukunftsforum KI lädt die IHK Berlin am 6. November ins Ludwig Erhard Haus. Mit der Großveranstaltung will die IHK die Bedeutung von künstlicher Intelligenz als Schlüssel- und Querschnittstechnologie für die Berliner Wirtschaft und den Standort insgesamt unterstreichen und daneben KI-Anwen- dungen für KMU vorstellen. Sonja Jost IHK-Vizepräsidentin Berlin kann als Standort eine weltweit führende Rolle beim Thema KI einnehmen, wenn wir das Ökosystem stärken. FOTOS: GETTY IMAGES/MOMENT RF/HENRY SADURA (ARTWORK: ASCS/CLARA NABI), IHK BERLIN/AMIN AKHTAR, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG (2) Künstliche Intelligenz | 21 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

Die Techies tragen weiße Sneaker. Ohne Ausnahme. Paarweise gebündelt stehen sie im Büroeingang in der Pappelallee. Dicht gedrängt sitzen hier junge KI-Experten, diskutieren und programmieren. Binnen eines Jahres hat das Gründerteam bewiesen, welche Marktchancen in generativer KI stecken. Und dass selbst sehr junge Firmen einen DAX-Konzern von ihrer Technologie überzeugen können. Für Merck, ältestes Pharma-Unternehmen der Welt, hat das KI-Start-up Langdock die Weiterentwicklung eines hausinternen KI-Assistenten übernommen. So sollen die knapp 63.000 Beschäftigten produktiver arbeiten können, indem sie Texte zusammenfassen oder übersetzen, E-Mails präziser oder höflicher formulieren sowie Formeln für Excel oder Programmiertipps erstellen lassen. Auch für den Aufbau von Wissensdatenbanken eignet sich der KI-Assistent. Dank der besser formulierten Nachrichten werden laut Merck zum Beispiel schon deutlich mehr Mails geöffnet. Zustande gekommen war der Kontakt über den Chef einer KI-Agentur, der Langdock kannte und bei Merck ins Spiel brachte. Ein Glückstreffer für die jungen Berliner. „Merck ist für uns als Anwendungsfall im Vertrieb ein großartiger Türöffner“, sagt Co-Gründer Lennard Schmidt. Gut 40 Kunden nutzen mittlerweile Langdocks Lösung, darunter Start-ups wie GetYourGuide und HeyJobs, aber auch diverse Mittelständler. Jährlich zahlen sie einen Festbetrag für die Nutzung der Software. „Auf die Geschäftsidee sind wir gekommen, weil uns immer wieder Unternehmen gesagt Langdock hat mit einer Anwendung, die Datenschutz beim Einsatz künstlicher Intelligenz gewährleistet, schon große Kunden gewonnen KI mit voller Kontrolle Lennard Schmidt gründete das KI-Start-up Langdock 2023 mit zwei Ex- Kommilitonen FOKUS | Künstliche Intelligenz | 22 Berliner Wirtschaft 06 | 2024

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