Berliner Wirtschaft Mai 2024

Insbesondere Start-ups geraten zu Beginn rechnerisch in Graubereiche – umso wichtiger ist die kontinuierliche Überprüfung der Liquidität des Unternehmens Sanierung innerhalb dieser Frist unmöglich ist und die Zahlungsverpflichtungen auch mittelfristig nicht getilgt werden können. Bei der Untersuchung sind die Gründe für die Insolvenz (Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit) sorgfältig zu prüfen und zu dokumentieren. Feststellung einer Überschuldung Eine GmbH gilt als überschuldet, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Diese Überschuldungsprüfung erfolgt in zwei Schritten. → Überschuldungsbilanz: Der Geschäftsführer muss eine Sonderbilanz erstellen, in der Vermögenswerte und Schulden zu Veräußerungswerten angesetzt werden. Übersteigen die Schulden die Vermögenswerte, liegt eine rechnerische Überschuldung vor, und es muss eine Fortführungsprognose erstellt werden. → Fortführungsprognose: Sie erfordert einen schriftlichen Finanz- und Ertragsplan. Die Fortführungsprognose muss eine über 50 Prozent liegende Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Fortführung des Unternehmens aufweisen. Sie muss auf realistischen Annahmen über den zukünftigen Unternehmensverlauf basieren. Wann liegt Zahlungsunfähigkeit vor? Eine GmbH gilt als zahlungsunfähig, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn das Unternehmen seine Zahlungen eingestellt hat. Die Fälligkeit von Forderungen ergibt sich aus vertraglichen Vereinbarungen oder gesetzlichen Vorschriften. Der Geschäftsführer muss sich regelmäßig, mindestens wöchentlich, über den Liquiditätsstatus der GmbH informieren. Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfen keine Leistungen oder Lieferungen aus dem Gesellschaftsvermögen erbracht werden, die die Insolvenzmasse schmälern könnten (sogenannter Masseerhalt/Zahlungsverbot). Der Geschäftsführer muss alle Ausgaben minimieren und mit den Gläubigern über Ratenzahlungen oder Stundungen verhandeln, um eine weitere Verschlechterung der finanziellen Lage zu verhindern. Er muss zudem Maßnahmen zur Beseitigung des Insolvenzgrundes ergreifen. Hierzu zählen die Stundung von Forderungen, die Neuverhandlung von Verträgen, der Verkauf von Vermögenswerten oder die Kreditaufnahme. Persönliche Haftungsrisiken der Geschäftsführung Der Geschäftsführer riskiert eine persönliche Haftung bei Nichterfüllung seiner Pflichten unter diversen Aspekten: → Allgemeine Sorgfaltspflichten: Bei Pflichtverletzungen, die der GmbH Schaden zufügen, haftet er persönlich gegenüber der Gesellschaft (sogenannte Innenhaftung). Zunächst obliegt die Geltendmachung dieser Ansprüche den Gesellschaftern. → Forderungen zugunsten der Insolvenzmasse: Wird die Gesellschaft allerdings insolvent, fällt diese Beurteilung dem Insolvenzverwalter zu. Dieser prüft, ob der Geschäftsführer in der Vergangenheit seine Pflichten erfüllt hat. → Forderungen der Banken: Falls der Geschäftsführer persönlich für Kredite der GmbH gebürgt hat, können Banken ihn zur Zahlung heranziehen. → Ansprüche von Gläubigern der GmbH: Gläubiger können den Geschäftsführer direkt in Anspruch nehmen, wenn er den Insolvenzantrag zu spät stellt. → Ansprüche der Gesellschafter: Der Geschäftsführer haftet in der Regel nicht direkt gegenüber den Gesellschaftern, außer bei speziellen Pflichtverletzungen. Ausnahmen hiervon bestehen insbesondere bei Verletzung von Kapitalschutzvorschriften. → Haftung für Steuerschulden der GmbH: Der Geschäftsführer haftet gegenüber dem Finanzamt, wenn steuerliche Pflichten, insbesondere die Abführung von Lohnsteuer, nicht erfüllt werden. → Ansprüche der Sozialversicherungsträger: Bei Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung kann der Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen werden. → Strafrechtliche Folgen: Mögliche strafrechtliche Konsequenzen umfassen Betrug, Gläubigerbegünstigung und Bankrott, insbesondere bei Handlungen, die die Insolvenzmasse schädigen oder Gläubiger benachteiligen. In Anbetracht dieser umfangreichen Haftungsrisiken sollten Geschäftsführer unbedingt ihre Haftung so weit wie möglich reduzieren. Dazu gehören unter anderem umfangreiche Haftungsbegrenzungen im Geschäftsführervertrag, die regelmäßige Entlastung und eine gute D&O-Versicherung. ■ Christina Lüdtke, IHK-Fachreferentin Start-ups und Finanzierung Tel.: 030 / 315 10-405 christina.luedtke@ berlin.ihk.de Die Autorin Fiona Schönbohm ist Rechtsanwältin bei der Hamburger Kanzlei Honert. Sie berät in Fragen des allgemeinen Handels- und Wirtschaftsrechts und bei Venture-Capital- Transaktionen (M&A) sowie im Arbeitsrecht. Einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet die Beratung von Start-ups und Investoren bei der Gründung und Finanzierung. QR-Code zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes findet sich, kostenpflichtig, unter folgendem QR-Code : FOTOS: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO/LYNDON STRATFORD, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Berliner Wirtschaft 05 | 2024

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