Berliner Wirtschaft September 2020

Eva Witzgall engagiert sich für das DIHK-Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und die Chance für Unternehmen von Julian Evans „Ich habe sehr großen Respekt“ D as im Jahr 2016 vomDIHK initiierte Netz- werk „Unternehmen integrieren Flücht- linge“ unterstützt Betriebe, die geflüchtete Menschen beschäftigen. Dazu sammelt das Projektteam des Netzwerks die Erfahrungen der fast 2.500 Mitgliedsunternehmen. Jedes Jahr werden Unternehmensvertreter aus den jeweiligen Bundesländern ausgewählt. So entsteht ein Netzwerk von engagierten Betrie- ben, das die Expertise an die Unternehmen in der Region weitergibt. EvaWitzgall, Leiterin der Aus- bildungsabteilung bei der Bayer AG am Standort Berlin, ist eine dieser Regionalbotschafter/-innen. Berliner Wirtschaft: Was war Ihre schönste Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten? Eva Witzgall: Zu sehen, wie sich die Personen entfalten, wenn sich ihre Lebenssituationen sta- bilisieren und die Flucht so weit Vergangenheit geworden ist, dass Wohnung und Papiere geklärt sind. Wenn diese Grundbedingungen erfüllt sind, lernt und lebt es sich viel leichter, und es stel- len sich Erfolge ein. Es erfreut und berührt mich immer noch sehr, wenn Geflüchtete die Ausbil- dung mit den IHK-Prüfungen abschließen und als Fachkräfte im Arbeitsmarkt bestehen. Diese Menschen haben sichmit viel Disziplin eine ganz neue Perspektive aufgebaut; davor habe ich sehr großen Respekt. Welche Schwierigkeiten hatten Sie zu Beginn bei der Integration? Wir hatten praktisch kein Wissen über die Kul- turkreise, aus denen sie kamen. Die Erlebniswel- tenwaren sehr unterschiedlich bei hohen sprach- lichen Barrieren. Rechtliche Rahmenbedingun- gen waren uns wenig bekannt und änderten sich häufig. Die schwierigen Lebensumstände in den überfüllten Flüchtlingsunterkünften erschwerten die Arbeitsmarktintegration erheblich. Funktio- nierende Vermittlungssysteme mussten erst auf- gebaut werden. Wie hat sich Ihre Arbeit mit Geflüchteten in den vergangenen Jahren verändert? Es gibt klare Vorstellungen darüber, wie die Einarbeitung gut gelingen kann. Man kann als Firma auf erfahrene Partner zurückgreifen, und es existieren gute Netzwerke. Die Behörden haben sich ebenfalls sehr professionalisiert. Wie kann Integrationweiter verbessert werden? Wir brauchen rechtliche Rahmenbedingungen zur schnellen Integration für qualifizierte Per- sonen und systematischen Deutschunterricht von Anfang an. Auch die Wohnungssituation sollte weiter verbessert werden. Im Ausbildungsge- schäft sollten gerade im ersten Ausbildungsjahr Paten zur Verfügung stehen, die nicht nur Nach- hilfe geben können, sondern auch emotionale Unterstützung bieten. Was geben Sie Betrieben mit auf den Weg? Wenn man langfristig loyale gute Mitarbeiter braucht, lohnt es sich, genau auf diese Zielgruppe zu setzen und in die Einarbeitung mit Geduld zu investieren. Unterstützung über Netzwerke hel- fen, etwaige Klippen zu umschiffen. ■ FOTO: PRIVAT Eva Witzgall ist Leiterin der Aus- bildungsabteilung bei der Bayer AG am Standort Berlin und engagiert sich zudem als Netzwerk-Regional- botschafterin Sie möchten sich engagieren oder Erfah- rungen austauschen? Schreiben Sie an: info@unternehmen-inte- grieren-fluechtlinge.de Julian Evans, IHK-Abteilung Fachkräfte und Innovation julian.evans@berlin.ihk.de Tel.: 030 / 315 10-153 51 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 09 | 2020 FACHKRÄFTE | Integration

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