Berliner Wirtschaft September 2020

che Themen vermittelt. Nachdemwir die Schließung der Ausbildungsstätten geplant hatten, habenwir mit den Geschäftsfeldern und Ausbildern von DB Trai- ning noch in derselben Woche organisiert, dass die Azubis in virtuellen Klassenzimmern unterrichtet werden konnten. Dort war immer ein Lernbeglei- ter oder Ausbilder dabei, der den Azubis geholfen hat und mehrmals täglich mit ihnen Kontakt hatte. Hat das alles so schnell auch wirklich gut funktioniert? Krüger: Natürlich hat es anfangs an der einen oder anderen Stelle im System noch etwas gehakt. Mir wurde aber recht schnell berichtet, dass sich eine Mutter bei uns beschwert hatte, weil ihr Kind den ganzen Tag zu Hause am Lernen sei. Das war für mich ein Highlight, denn so soll es sein. Wie viele Azubis sind heute noch im Homeoffice? Krüger: Mittlerweile sind etwa 30 Prozent wie- der an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. Die Aus- bildungswerkstätten sind seit Mai wieder geöffnet. Das war auch extremwichtig, weil einige Auszubil- dende inzwischen die Prüfung absolviert haben und die entsprechende Vorbereitung noch gut gebrau- chen konnten. Richter: Wir werden dabei kreativ und gehen neue Wege. In einigen Bereichen arbeiten wir neuerdings im Schichtbetrieb, damit nicht die gleiche Anzahl an Menschen zur gleichen Zeit im Gebäude ist. Außer- dem ist der Tagesablauf der Auszubildenden immer noch in Teilmodulen organisiert. Beispielsweise haben sie sechs Stunden Präsenz in der Ausbildungs- werkstatt und bereiten diese durch zwei Stunden im Homeoffice mit virtuellen Formaten vor und nach. Mussten Sie eine Art Online-Etikette für die virtuelle Kommunikation mit den Azubis einführen? Krüger: Wir bringen ihnen natürlich die Basics bei: Wann schalte ich die Kamera ein? Sollte ich einen Hintergrund haben? Wann schalte ich das Mikrofon ein, und wann schalte ich es wieder aus? Wie nutze ich den Chat? Dazu gehört auch, dass man konzen- triert mitarbeitet und sich nicht einwählt und dann in den Garten geht. Aber vieles ergibt sich in der Pra- xis, und wir sind ja auch noch selbst ein bisschen am Ausprobieren in dieser Hinsicht. Ist diese Generation nicht auch schon vertraut mit Online-Kommunikationsformen? Richter: Der Umgang mit den digitalen Geräten fällt ihnen überhaupt nicht schwer. Die Geräte jedoch auch zielgerichtet einzusetzen, ist eine andere Sache. In der Berufswelt haben sie die Endgeräte noch nicht genutzt. Deshalb haben wir bei der Einführung der Tablets auch dieses Thema in die Start-Seminare eingebaut: Wie lerne ich mit digitalen Geräten? Wie kann ich sie in den Lernprozess einbinden? Ist es Ihrer Ansicht nach auch möglich, den jungen Mitarbeitern im Homeoffice eine emotionale Bindung an das Unternehmen mitzugeben, oder müssen sie dazu die räumliche Nähe zum Arbeitgeber haben? Richter: Ich bin überzeugt, dass das auch in der Online-Welt sehr gut funktioniert – jedenfalls wenn die Auszubildenden merken, dass ihr Arbeit- geber ihnen zu Hause einen echten Mehrwert bie- tet und sich in dieser Hinsicht von anderen abhebt. Sie werden schnell merken, dass sich die Arbeit im Homeoffice positiv auf die Work-Life-Balance aus- wirken kann. Wie würden Sie die Generation der heutigen Auszubildenden beschreiben? Krüger: Bei der Bahn haben wir ein Generatio- nen-Management. Aktuell sind vier Generationen beschäftigt. Wir spüren einen starken Unterschied zwischen den Babyboomern und der Generation, die jetzt anfängt. Die neue Azubi-Generation engagiert sich enorm. Sie wollen früh an Entscheidungen teil- haben, mitgestalten und nach ihrer Meinung gefragt werden. Sie sind sich ihrer Fähigkeiten in der digi- talen Welt bewusst und wollen Input geben, um für das Unternehmen Mehrwert zu stiften. Umgekehrt fällt es ihnen schwer, die Tatsache anzuerkennen, dass Kollegen über Erfahrungen verfügen, die sie noch nicht haben. Müssen Sie die neue Azubi-Generation im Recruiting heute anders ansprechen als die früheren Generationen? Richter: Ja, und das gelingt uns gut. Wir sind auf den wichtigen Kanälen wie Instagram und YouTube im Recruiting gut unterwegs. Wir haben bei der Deut- schen Bahn Kollegen und Kolleginnen, die sich mit demThema „zielgruppengerechte Sprache“ sehr gut auskennen. Es gab zuletzt auch einen Wettbewerb, der uns das bescheinigt: Wir haben den vierten Platz beim Azubi-Communication-Ranking belegt. Wir sprechen auch nicht nur die Zielgruppe direkt an, sondern auch die Mittelzielgruppe – also die Eltern und die Lehrer. Das haben wir auch in Corona-Zei- ten fortgesetzt. Wir haben virtuelle Schulbesuche und virtuelle Elternabende besucht. ■ FOTOS: AMIN AKHTAR Viola Bösebeck, IHK-Expertin für Ausbildung Tel.: 030 / 315 10-835 viola.boesebeck@ berlin.ihk.de Wir sind auf den wichtigen Kanälen wie Instagram oder YouTube im Recruiting gut unterwegs. Maja Richter 29 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 09 | 2020 SCHWERPUNKT | Interview

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