Berliner Wirtschaft Juni 2020

können“, sagt die Veterinärmedizinerin Julia Rosendahl, die vor fünf Jahren mit der Biolo- gin Katharina Schrapers ihr Start-up am Insti- tut für Veterinär-Physiologie der FU ausgründete und heute zehn Mitarbeiter beschäftigt. In einem 18 Monate dauernden Technologietransfer-Pro- jekt wollen die Unternehmerinnen und Wissen- schaftler ihre Ergebnisse jetzt auf Schweine über- tragen. „Wenn die Ferkel nach der Geburt von der Mutter getrennt werden, löst dies häufig Stress und Krankheiten aus. Wir wollen deshalb einen Futtermittelzusatz entwickeln, mit dem wir das Immunsystem auch dieser Tiere stärken.“ Im Dickicht der Wissenschaft Um die enge Verflechtung von innovativer Wirt- schaft und exzellenter Wissenschaft am Stand- ort Berlin effizient zu nutzen, ist die Kooperation der potenziellen Partner essenziell. Doch genau da beginnt für dieWirtschaft das Problem. Heike Schöning von der IHK Berlin nennt den Knack- punkt: „Die Unternehmen finden sich schlecht im Dickicht Wissenschaft zurecht. Es fehlt an Transparenz zu Forschungsschwerpunkten und -ergebnissen sowie relevanten Ansprechpart- nern für Anwendungen auf Basis neuer Techno- logien an den Hochschulen.“ Die Wissenschaft brauche aber dringend Partner aus der Wirt- schaft, um Forschungsergebnisse anzuwenden bzw. um ihre Forschung gezielt auf unterneh- merische Herausforderungen auszurichten. Wie können Unternehmen und Hochschulen erfolg- reich kooperieren, um Innovationen zu fördern? Die Berliner Wirtschaft hat mit Firmenchefs und Wissenschaftlern gesprochen. Für Julia Rosendahl hat sich die bisherige Kooperation mit der Universität in Dahlem aus- gezahlt. „Wir haben immer fruchtbare Ergeb- nisse erzielt. Ein Selbstläufer ist das jedoch kei- nesfalls“, räumt die 35-jährige Tierärztin ein. Man müsse ganz klar ein Ziel formulieren und dazu einer konkreten Fragestellung nachgehen, dabei dennoch ergebnisoffen sein. „Eine große Heraus- forderung ist es auch, erst einmal den richtigen Ansprechpartner an der Hochschule zu finden.“ Hierbei helfe zum Beispiel eine Technologie- transfer-Einrichtung wie Profund Innovation, die innerhalb der Forschungsabteilung der FU Ber- lin sowohl Unterstützung für Wissenschaftler als auch für Unternehmen bietet. Last but not least müssten die Parteien schon im Projektvertrag konkretisieren, wer später die Rechte an mögli- chen Patenten halten wird. Die Rahmenbedingungen für Industriekooperati- onen seien an der Freien Universität gut geregelt, sodass bereits in frühen Phasen der Projektgestal- tung auf dem Boden der Realitäten geplant wer- den kann, ergänzt Jörg Aschenbach, Professor am FU-Fachbereich Veterinärmedizin. „Die Referen- ten für Forschungsförderung und unsere Juristen arbeiten sehr engagiert an der Ausgestaltung der Projektbedingungenmit. Herausforderungen sind regelmäßig das Abgleichen von unterschiedlichen Vertragsvorlagen der beteiligten Partner und die Abklärung der Rechte an möglicherweise gene- riertem geistigem Eigentum.“ Für Aschenbach haben Kooperationen mit Unternehmen den Reiz, „dass man sich vom ersten Tag an sicher sein kann, an einer praktisch relevanten Frage- stellung zu forschen. Gerade in der Tiermedizin ist das sehr wichtig, da die Verbesserung der Ver- sorgung, Unterbringung und Gesundheit unserer Tiere ein hohes Gut ist, welches als Tierschutz sogar im Grundgesetz verankert ist.“ So gut wie im Fall von PerfomaNat funktio- niert der Wissens- und Technologietransfer nicht immer. Berlin verfüge insgesamt zwar über gute Voraussetzungen, dass die breit aufgestellte Wis- senschaft und die mittelständisch geprägteWirt- schaft eine starke Verbindung eingehen könn- ten. Nach Ansicht der IHK Berlin fehlt jedoch eine systematische Steuerung für einen strategischen Wissens- und Technologietransfer. Sie hat imver- gangenen Jahr deshalb in einemPapier acht The- sen für einen kooperationsstarken Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort verfasst, um Hand- lungsempfehlungen zur Stärkung des Transfers an die Landesregierung zu adressieren. Schwierige Partnerwahl „Ein erster und schwieriger Schritt zur Koope- ration ist die Wahl des Partners. Hier mangelt es in Wirtschaft und Wissenschaft an Transparenz zu Angebot und Nachfrage“, sagt IHK-Expertin Heike Schöning. Deshalbmüsse es sich Berlin zur Aufgabe machen, über unterschiedliche Formate Kontakte systematisch und nachhaltig zu fördern, Kollaboration auf denWeg zu bringen, den Trans- fer über Köpfe und darüber die Diffusion neuer Technologien und deren Anwendung im Mittel- stand zu beschleunigen. Leicht fällt die Wahl des Partners, wenn Mitarbeiter eine Forschungsinstitution ver- lassen, um ihr eigenes Unternehmen zu grün- den, aber mit ihrem vorherigen Arbeitgeber weiterhin kooperieren. Wie das erfolgreich » 10 Projektpartner hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft für „EdgeCity“ zusammen­ gebracht. Ziel ist, mit IoT-Lösungen u.a. Passantenströme zu ermitteln. Dirk Schumann CTO eagleyard Photonics GmbH Vor 20 Jahren ging das Adlershofer Unternehmen als Spin-off aus dem FBH hervor. Inzwischen sind 40 Mitarbeiter in der Fertigung und Vermarktung von Laserdioden tätig. Ulrike Winterwerber Wissenschaftlerin am Ferdinand-Braun- Institut, Leibniz- Institut für Höchst- frequenztechnik In den Reinräumen des Instituts werden sowohl Forschungs- aufträge bearbeitet als auch Hightech- Bauteile wie etwa Laserchips produziert. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN SCHWERPUNKT | Technologietransfer 16 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 06 | 2020

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