Berliner Wirtschaft Juni 2020

Das Revival der Wissenschaften Die Kraft der Forschung ist durch ihre Präsenz in der aktuellen Krise wieder stärker ins Bewusstsein gerückt – Kooperationen zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen sollten jetzt ausgebaut werden E ine Krise fördert so einiges an die Ober- fläche. Da ist es nicht verwunderlich, dass immer größere Teile der Gesell- schaft im Zuge der COVID-19-Ereig- nisse die Bedeutung der Wissenschaft wie- derentdecken. Kein Nachrichtenbeitrag und keine Talkshow kommen noch ohne Hoch- schul-Professor aus, weil das Überleben der Menschheit auf einmal von den Ergebnissen unserer Wissenschaft abhängt. Ganze Staaten treten um die Hoheit von Forschungsergebnis- sen in Wettbewerb. Dabei bestimmt die Wissenschaft seit jeher unser Leben. Die Abkehr der Gesellschaft vom uneingeschränkten Glauben an die Vorsehung oder die Industrialisierung als Treiber von wirtschaftlichem Erfolg und sozi- alem Wohlstand sind wesentliche Ergebnissewissenschaftlicher Leis- tungen der letzten Jahrhunderte. Eine Wiederbelebung der intensi- ven Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft lohnt sich also. Doch auch heute noch ist es für den typischen Mittelständler oft nicht leicht, sich im Dickicht von Hochschulen, For- schungsschwerpunkten und Ansprech- partnern zurechtzufinden und dafür freie Ressourcen aufzubringen. Aber es tut sich etwas in der Berliner Hochschul- und Forschungslandschaft: Der eigentlich schon immer existierende Transferauftrag sorgt dafür, dass sich die früher eisernen Türen Spalt für Spalt öffnen und gegenseitig neugierige Blicke auf Wissenschaft und Mit- telstand erlauben. Der innovative Mittelstand erobert langsam seinen Platz als potenzieller Kooperationspartner neben den Großunter- nehmen, die viele Jahre den Zugang zu wissen- schaftlicher Expertise und gut ausgebildeten Fachkräften für sich gepachtet hatten. Die Hochschulen haben denWert des kre- ativen Berliner Mittelstandes entdeckt, und dieser ist sich des Potenzials der umfassen- den Berliner Wissenschaftslandschaft, nicht zuletzt auch als Antwort auf das immer stär- ker werdende Fachkräfteproblem, bewusster geworden. Das vor Jahren als Steigbügelhalter initiierte Deutschlandstipendium für Unter- nehmen nahezu jeder Größe hat den Mittel- stand als interessanten Arbeitgeber für junge Absolventen, die bislang nur von Siemens & Co. geträumt haben, in den Fokus gerückt. Dieser Wandel bedarf unbedingt der poli- tischen Unterstützung, um den Zugang zu Kooperationen niedrigschwellig zu ermög- lichen – unabhängig davon, ob die Initiative von der Hochschule oder dem Unternehmen ausgeht. Wer als Unternehmer dieser Stadt noch nie einen Versuch unternommen hat, die Türen unserer Berliner Hochschulen zu über- winden, oder vor ein paar Jahren frustriert aufgegeben hat, der sollte sein Interesse jetzt revitalisieren und einen neuen Anlauf wagen. Die strategische Entwicklung des Unterneh- mens und im besten Fall auch die Personal- abteilung werden es ihm danken. ■ FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel ist Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Mitglied der Geschäftsleitung der The Social Chain AG AGENDA | Mittelstandskolumne

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