Berliner Wirtschaft 5/2018

BERLINER WIRTSCHAFT 05/18 54 UNTERNEHMEN & MÄRKTE FOTO: GETTY IMAGES/IKON IMAGES/STUART KINLOUGH Ergebnisse mit Vorsicht genießen Berlins Bruttoinlandsprodukt ist aktuell um 3,1 Prozent gewachsen, doch ein Blick auf ältere Werte zeigt, dass diese Zahlen hoch volatil sind und sich noch einige Male ändern können » Von Christian Nestler I m Frühjahr 2014 gab der für die Ermittlung des Wirtschaftswachs- tums in den Ländern verantwort- liche Arbeitskreis bekannt, in Ber- lin sei das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2013 um 1,2 Prozent gewachsen – was der Stadt im Vergleich der Bundes- länder den ersten Platz bescherte. Im Frühjahr 2015 korrigierte der Arbeits- kreis – da nun weitere Daten vorla- gen – diesen Wert auf 0,2 Prozent. Da- mit kam der Stadtstaat nur noch auf den sechsten Platz, deutlich abgeschla- Komplex: Die Entwicklung von Gesamtwirtschaft und einzelnen Branchen kann nur mit zeitlichem Abstand bewertet werden gen vommit 0,8 Prozent Wachstum nun führenden Bayern. Dieser Wert blieb in den folgenden zwei Jahren unange- tastet. Jedoch änderte sich der Berech- nungsstand im Frühjahr 2018 noch ein- mal: Nun wies die amtliche Statistik der Stadt für das Jahr 2013 ein Nullwachs- tum aus; womit diese unter den Bun- desländern auf den elften Rang ab- rutschte. „From hero to zero“, könnte man es bitter kommentieren. Das ver- rückte Rängetauschen gab es natürlich auch bei den anderen Bundesländern – der für Hamburg errechnete Wert stieg von 0,8 auf 3,0 Prozent. Übereilte Bewertungen Für die hohe Volatilität der Ergebnisse gibt es verschiedene Gründe und Be- gründungen. So verfügt man zum Bei- spiel zum Termin der Erstveröffentli- chung der Ergebnisse – typischerwei- se im Frühjahr des Folgejahres – noch nicht über tragfähige Kennzahlen aus allen Branchen. Man nutzt stattdessen Verteilungsschlüssel und Hochrech- nungsverfahren – was auch absolut le- gitim ist, dies sei hier betont. Die teils erhebliche Änderung der BIP-Werte ist dennoch problematisch. Aber weniger im durch materielle Zwän- ge begründeten methodischen Sinne. Vielmehr ist es die öffentliche Reaktion darauf und die Arbeit damit. Die Werte der Erstveröffentlichung werden meist tagesaktuell durch allerlei politische und wirtschafsbefasste Institutionen und Ak- teure kommentiert. Meist in demDuktus, sich über eine endgültige Gewissheit zu verbreiten. Sind die Zahlen gut, wird ge- jubelt, sind sie es nicht, wird beschwich- tigt. Doch dadurch kann sich über die Jahre hinweg ein schiefes Bild über die tatsächlichewirtschaftliche Entwicklung formen. Können Erwartungen fehlgehen, 3,1% Wachstum bei Berlins Bruttoinlandsprodukt hat das Statistische Landesamt für das vergangene Jahr vermeldet. Um die gesamt- wirtschaftliche Entwicklung zu beurteilen, ist dieser Wert allerdings viel zu unsicher. Belast- bare Zahlen brauchen wesentlich mehr Zeit.

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