Berliner Wirtschaft 4/2018
MEINUNG & MACHER 23 BERLINER WIRTSCHAFT 04/18 D ie Insolvenz der Fluglinie Air Berlin hat auch die Berliner Hotellerie ge- troffen. Die General Managerin des Hilton hofft, dass nun auch auch ei- ne breitere Öffentlichkeit verstanden hat, warum der Luftverkehr für Berlin so wichtig ist. Berliner Wirtschaft: Ende Oktober hat Air Berlin den Flugbetrieb eingestellt. Daraufhin sind deutlich weniger Touristen nach Berlin gekommen. Haben auch Sie diesen Effekt zu spüren bekommen? Gisela Münchgesang: Ja. Das hat die ganze Stadt getroffen – und zwar schwer.Wir Hotelierswuss- ten auch vorher, wie wichtig der Flugverkehr für den Tourismus ist. Aber von der Härte, mit der Tourismus und Hotellerie die Air-Berlin-Insol- venz zu spüren bekamen, waren viele schon et- was überrascht. Das war jetzt ein Weckruf. Wir müssen schleunigst die Flughafen-Frage lösen. Das war ein Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn Berlin nicht in ausreichendem Maße über den Luftverkehr erreichbar ist. Wir stark ist die Belegung bei Ihnen durch dieAir-Ber- lin-Krise gesunken? Sie ist gar nicht gesunken, wir konnten das auf- fangen. Aber dafür mussten wir flexibler bei der Preisgestaltung sein, damit wir Gäste ins Hotel holen, und das hat auf die durchschnittliche Zim- merrate gedrückt. Führen die Erfahrungen dazu, dass die Hotellerie noch genauer die Entwicklung am BER im Blick hat? Für uns Hoteliers steht das Thema immer auf der Tagesordnung, wenn wir uns treffen. Selbstver- ständlich interessiert es uns, wie weit die Arbei- ten am BER voranschreiten oder ob es was Neu- es gibt. Aber jetzt hat auch die Öffentlichkeit zu spüren bekommen, wie wichtig der Luftverkehr für die Stadt ist – das ist vielleicht auch ganz gut so. Ich persönlich nehme mit Schrecken wahr, wenn sich der Eröffnungsterminweiter nach hin- ten verschiebt. Das besorgt mich schon. Auf der anderen Seite bin ich ein positiver Mensch und sage: Wir haben ja zwei Flughäfen. Solange Te- gel gut funktioniert, ist die Verzögerung am BER schlimm, aber noch keinWeltuntergang. Sind Sie denn für die Offenhaltung von Tegel? Das ist für mich eine Frage, die ganz schwer zu beantworten ist. Auf der einen Seite bin ich emo- tional Berlinerin, und viele Berliner lieben ja den Flughafen Tegel. Als General Managerin des Hil- ton amGendarmenmarkt habe ich natürlich auch eine kleine Affinität für Tegel, weil der Flugha- fen von hier aus wirklich sehr gut zu erreichen ist. Auf der anderen Seite verstehe ich auch, dass Tegel sehr viel geleistet hat und die Infrastruktur dort an vielen Stellen veraltet ist. Es müsste sehr viel investiert werden. Sie haben gar keine Präferenz? Ich stehe beiden Lösungen offen gegenüber. Ich wäre auch offen – undwürde das vielleicht sogar begrüßen –, wenn BER und Tegel parallel betrie- ben werden. Denn Berlin ist ja eine große Stadt, baldwerdenwir die Einwohnerzahl von vier Mil- lionen knacken. Was ist daran falsch, wie andere Städte auch, zwei Flughäfen zu haben? Man soll- te dieses Thema neu denken können. Denn ei- nes ist klar: Ein ganzwichtiger Schlüssel ist heute Zugang und Erreichbarkeit. Das gilt für viele Be- reiche – vom Luftverkehr bis zur Digitalisierung. Sehen Sie eher Fünf-Sterne-Hotels in anderen Städ- ten oderHotels in Berlin alswichtigsteWettbewerber? Wir bewerben sehr stark auch die Stadt Berlin. Wir sind Botschafter unserer Destination. Wenn unsere Sales-Leute unterwegs sind, treffen sie oft auf Organisationen, die eine Konferenz in einer interessanten europäischen Stadt austragenwol- len. Dann geht es darum, Berlin besser dastehen zu lassen als beispielsweise Barcelona, Prag, Lon- don oder Paris. Wir müssen mit Möglichkeiten in der Stadt auftrumpfen können, die mindestens ebenbürtig sind, sonst geratenwir ins Hintertref- fen. Daher ist mir auch so wichtig, dass die Flug- hafen-Problematik schnell gelöst wird. SindIhnenGeschäftsreisendeoderTouristenwichtiger? Es istwirklich eine sehr große Spannbreite anMo- tiven, weshalb unsere Gäste sich für unser Haus Gisela Münchgesang führt das Hilton am Gendarmenmarkt. Für den Tourismusstandort wünscht sie sich mehr Events von Weltformat und eine Lösung der Flughafen-Frage » Von Michael Gneuss „Das war jetzt ein Weckruf“ FOTO: AMIN AKHTAR Gisela Münchgesang kämpft im Wettbe- werb gegen Hotels aus europäischen Städten wie Barcelona, Prag, London oder Paris. Wir bewerben sehr stark auch die Stadt Ber- lin. Wir sind Botschafter unserer Destination. INTERVIEW DES MONATS
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