Berliner Wirtschaft Februar 2021
Bauherr – ein staatliches Gericht sein. Für diese beiden Fälle trifft die SchliOBau unterschied- liche Regelungen. Im ersten Fall verkündet der Schlichter selbst eine Entscheidung; andernfalls kann er lediglich einen Entscheidungsvorschlag unterbreiten. Verfahren in mehreren Stufen Ficht dann eine Partei diese Entscheidung bezie- hungsweise den Entscheidungsvorschlag an und ruft das (Schieds-)Gericht an, so bleibt die Ent- scheidung – oder der Entscheidungsvorschlag – wirksam, bis es einen Schiedsspruch bezie- hungsweise ein Urteil gibt. Das gesamte Verfah- ren ist alsomehrstufig. Der Übergang von der ers- ten, rein mediativen Stufe zur zweiten Stufe mit Entscheidung oder Entscheidungsvorschlag des Schlichters kann von jeder Seite jederzeit ausge- löst werden. Ebenso kann jede Seite gegen eine Entscheidung oder den Entscheidungsvorschlag des Schlichters die dritte Stufe anrufen, also das jeweils zuständige Gericht. So wird sichergestellt, dass die Beauftragung des Schlichters imZusam- menhang mit dem Bauvertrag durch beide Par- teien diesen dennoch ein Maximum an eigener Entscheidungskompetenz belässt. Gleichzeitig führt diese Konstruktion dazu, dass keine Par- tei durch einseitige Obstruktion den Fortlauf der Baustelle und damit die notwendige Effizi- enz des Bauens gefährden kann. „Ein Kniff, auf den wir ziemlich stolz sind, ist die Regelung, dass bei Behinderung der Tätigkeit des Schlichters der Vortrag der jeweiligen Gegenseite als richtig zu unterstellen ist“, so Rechtsanwalt Wunschel. Schlichter sollte von Anfang an präsent sein Natürlich ist eine derartig komplexe Vorge- hensweise nicht zum Nulltarif zu erhalten. Der Schlichter muss von Anfang an in von den Par- teien festzulegenden Intervallen auf der Baustelle selbst präsent sein. Hierfür wird er einen Stun- densatz berechnen. Die Parteien haben es also weitgehend in der Hand, wie viel die Tätigkeit des Schlichters kosten soll. Dies wird aber – so die Erfahrung aus dem internationalen Geschäft – regelmäßig deutlich weniger sein, als ein Ver- zicht auf dieses Instrumentarium kosten würde. Ganz entscheidend ist nach diesem Verfah- ren die Person des Schlichters, auf den sich die Parteien verständigen müssen. Es sollte dies, so Wunschel, eine Person sein, die selbst „den Bau“ kennt und bei Auftraggebern wie -nehmern eine hohe persönliche Reputation genießt. ■ K onfrontationen auf Baustellen kom- men häufig vor und machen das Bauen beschwerlich, langwierig und teuer. Um das zu verhindern, bietet die „Schlich- tungsordnung für Bausachen (SchliOBau)“ des Deutschen Baurechtstags mit Sitz in Berlin einen zukunftsweisenden Ansatz, der aus dem inter- nationalen Bauen stammt. Initiator ist Rechtsan- walt Axel Wunschel, der die Schlichtungsordnung auch in wesentlichen Teilen verfasst hat. Wie Wunschel erläutert, werde mit der vor- liegenden „SchliOBau“ versucht, die Grundge- danken der international entwickelten effekti- ven Konfliktlösungsmodelle auf dieWirklichkeit des deutschen Bauens anzuwenden. Die Schlich- tungsordnung will kooperative Verhaltensweisen der Parteien eines Bauvorhabens fördern, um so ein Maximum an Effizienz, Qualität und Kosten- sicherheit zumbeiderseitigen Vorteil zu erreichen. Streit soll vermieden werden Oberstes Ziel ist es daher, Streit entweder gar nicht erst entstehen zu lassen oder trotzdem aufgetre- tene Streitpunkte frühzeitig, also vor einer mög- lichen Verhärtung der Fronten und vor dem Ent- stehen von Folgeschäden, zu schlichten. Dies setzt ein kooperatives, vertrauensvolles Zusammenar- beiten der Baubeteiligten über die gesamte Bau- zeit – also bis zur Einigung über die Schlussrech- nung oder sogar bis zum Ablauf der Gewährleis- tungszeit – voraus. Dafür muss nach Wunschels Überzeugung schon beim Vertragsschluss ein Schlichtungs- verfahren durch die Parteien vereinbart werden. Denn zu diesem Zeitpunkt steht deren Gemein- samkeit noch imVordergrund. „Nur allzu oft stellt jedoch die Unterschrift unter den Bauvertrag die Kriegserklärung der Parteien dar“, so der Experte. Während des Baugeschehens handelt der Schlichter nach der SchliOBau zunächst als rei- ner Moderator oder Vermittler, ähnlich einem klassischen Mediator. Seine Aufgabe ist es hier, die Parteien bei der Suche nach einvernehm- lichen Lösungen zu unterstützen, ohne eigene Maßnahmen zu ergreifen. Er trifft erst dann eine eigene Entscheidung, wenn eine einvernehmliche Lösung zuvor gescheitert ist. Fällt der Schlichter eine derartige Entscheidung, so ist diese endgültig wirksam, wenn sie nicht in kurzer Frist angefoch- ten und so der Gang zum Gericht eröffnet wird. Das Gericht kann je nach Vereinbarung der Parteien entweder ein Schiedsgericht oder – so bevorzugt es in der Regel die öffentliche Hand als Eine Baustelle ist eine komplexe Angelegenheit – entsprechend schnell können Konflikte entstehen IHK-Schlichter und -Mediatorenliste Zusammenstellung unter: ihk-berlin.de/ schlichter_mediatoren Dr. Alexandra Fock, IHK-Bereich Weiterbildung & Unternehmenssicherung Tel.: 030 / 315 10-823 alexandra.fock@ berlin.ihk.de Axel Wunschel Rechtsanwalt und Schlichter Nur allzu oft stellt die Unterschrift unter den Bauvertrag die Kriegs erklärung der Parteien dar. FOTOS: GETTY IMAGES/NIELS SCHUBERT, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 45 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2021 SERVICE | Mediation
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