Berliner Wirtschaft 1/2021

D ie Covid-19-Pandemie hat die Lieferbe- ziehungen der global vernetzten Wirt- schaft unterbrochen: Lieferengpässe, Produktionsausfälle, Störungen in der Logistik, Einschränkungen in der Mobilität von Fachkräften und veränderte Einkaufsparameter für Rohstoffe wie Dienstleistungen führen zu Ver- tragsverletzungen, Wegfall der Geschäftsgrund- lage und Diskussionen über Force-majeure-Er- eignisse. Eine Klagewelle droht, wenn global aufgestellte Unternehmen diese Situation nicht proaktiv managen. Solche Störungen von Vertragsbeziehungen in der Lieferkette treten dabei in einzelnen lang- jährigen Geschäftsbeziehungen ebenso auf wie in international verzweigten Lieferketten. Dabei kommen Unternehmen erst nach und nach zur Aufarbeitung dieser Vertragsstörungen und der damit verbundenenwirtschaftlichen Konsequen- zen. Wirtschaftliche Folgen solcher Störungen in der Lieferkette wirken umso schwerer, je weniger Handelsverträge auf verschiedenen Ebenen der Lieferkette aufeinander abgestimmt sind. Hier ist von Bedeutung, ob solche Verträge Back-to-back-Regelungen enthalten und im Detail verzahnt sind. Ist das der Fall, stoßen Ver- zögerungen oder Ausfälle im Einkauf keinen Dominoeffekt für die Annahme von Vertrags- leistungen oder die eigene Produktion und den Vertrieb an. Je komplexer die Lieferkette aufge- stellt ist und je weniger die vertraglichen Rege- lungen aufeinander abgestimmt sind, desto größer ist dabei das Potenzial für Vertragsverletzungen, die zu Schadensersatzforderungen, Vertragsstra- fen und zur Beendigung langfristiger Lieferbezie- hungen führen können. Zugleich machen die wirtschaftlichen Ver- änderungen im „NewNormal“ nach Covid-19 die Anpassung und Veränderung von internationalen Lieferketten nötig. Dabei spielen eine stärkere Fle- xibilisierung, Aspekte der Regionalisierung und Risikodiversifizierung durch Erweiterung des Lieferantenpools sowie die Vereinbarung neuer Mindeststandards eine Rolle. Diese Veränderun- gen gilt es in den nächstenMonaten vertraglich zu regeln, während zugleich bestehende Konflikte aus zurückliegenden Vertragsstörungen beigelegt werden müssen. Für das proaktive Konfliktmanagement in der Lieferkette bietet sich die Mediation an. Denn sie ist effizient, flexibel, konsensual und ermöglicht strukturierte Verhandlungserfolge bei möglichst geringen Konfliktkosten. Effizienz ist dabei nach Covid-19 nicht nur rele- vant, um hohe Gerichts- und Anwaltskosten zu sparen, sondern auch, umdas Verfahren kurz und den internen Aufwand niedrig zu halten, der oft höhere Konfliktkosten verursacht als die offen- sichtlichen externen Kosten. Große Teile der Pri- vatwirtschaft begegnen der Corona-Pandemie erfolgreich mit Home-Working und alternati- ven Arbeitsmodellen, doch Justiz und Schieds- gerichtsbarkeit reagieren langsamer. Hier dauern die Verfahren heute eher länger als früher. Die Mediation ist hier flexibler. Ein unabhän- giger und unparteilicher Mediator kann das Ver- fahren maßgeschneidert und kurzfristig durch- führen, auch online. Konflikte werden so oft binnen Stunden oder weniger Tage beigelegt. Insbesondere Konflikte mit mehreren Vertrags- partnern in internationalen Lieferketten lassen sich zügig und imWege des Interessenausgleichs zwischen allen Beteiligten lösen – auch in engli- scher Sprache. Der größte Vorteil der Mediation ist, dass mehrere Konfliktthemen gleichzeitig besprochen und geklärt werden können, wäh- rend sowohl Gerichtsverfahren als auch Schieds- verfahren auf einen bestimmten, vorab definier- ten Streitgegenstand begrenzt sind. So ergeben sich oft im Verlauf der MediationWin-win-Situ- ationen für die Fortsetzung der Zusammenarbeit der Parteien, die vorher so nicht sichtbar waren. In besonders hohem Maße eignet sich die Mediation für Konflikte auf mehreren Ebenen der Lieferkette aufgrund ihres konsensualen Cha- rakters. Die Parteien selbst können die Beson- derheiten und Veränderungen in ihremGeschäft infolge der Pandemie am besten beurteilen. Sie können deshalb auch selbst am besten Lösun- gen für bestehende Konflikte erarbeiten und die Vertragsbeziehungen sowie die Strukturen in der Lieferkette anpassen. Die konsensuale Lösung stärkt das Vertrauen in die neu verhandelten Geschäftsbeziehungen. Die Entscheidungshoheit darüber bleibt bei den Vertragspartnern und Par- teien der Mediation. Fazit: Effizienz im Konfliktmanagement durch Covid-19 unerwartet gestörter Lieferket- ten ist nicht durch langwierige Gerichtsverfah- ren oder kostenaufwendige Schiedsverfahren zu erreichen. Effizienz braucht in solch außer- gewöhnlichen Konstellationen Konsens, den die Parteien entweder durch interessenbasierte Ver- handlungen oder mit einemunparteilichenMedi- ator erreichen können. Dabei bleiben alle Betei- ligten „Herren des Verfahrens“. ■ Die Autoren Die Juristen Dr. Christine Heeg-Weimann und Dr. Alexander Insam sind für die KPMG Law Rechtsanwalts- gesellschaft mbH tätig, Heeg-Weimann in Düsseldorf und Insam in Frankfurt a. M. ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/AKINDO Dr. Alexandra Fock, IHK-Bereich Weiterbildung & Unternehmenssicherung Tel.: 030 / 315 10-823 alexandra.fock@ berlin.ihk.de Service Schlichter- und Wirt- schaftsmediatoren-Liste der IHK Berlin: ihk-berlin.de/schlichter_ mediatoren Weitere Mediatoren: schlichten-in-berlin.de 51 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2021 SERVICE | Mediation

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