Berliner Wirtschaft 1/2021

Der Einsatz von VR wird auch in der Ausbildung immer selbstverständlicher. Er schont Gesundheit und Ressourcen – und die Digital Natives kennen sich in den virtuellen Realitäten bestens aus von Almut Kaspar W enn der Auszubildende die Virtual- Reality-Brille aufgesetzt hat und in der Hand den Controller hält, der sich anfühlt wie eine Lackierpistole und auch genauso bedient wird, betritt er die Lackier- werkstatt. Die existiert allerdings nur in virtuel- ler Realität. Hier kann er Handgriffe und Bewe- gungsabläufe trainieren, ein Gefühl für Distanzen zu Werkstücken entwickeln, die er dann auch in virtueller Simulation lackieren kann. Vom Aus- bilder, einem virtuellen Avatar, erhält der Azubi konkrete Aufträge, die er abarbeiten muss – „Lackiere eine Autotür mit einer Einschichtla- ckierung in Rot“ zum Beispiel. „HandLeVR“ heißt das Lernprogramm, das der Informatiker Raphael Zender mit seinem Team an der Universität Potsdam und externen Partnern für die Ausbildung von Fahrzeuglackie- rern entwickelt hat. „Unsere Grundidee war hier, dass Auszubildende im virtuellen Umgang mit Lacken und Lackierpistolen vieles lernen kön- nen, ohne gesundheits- und umweltschädlichen Lack verschwenden zu müssen, der zudem noch sehr teuer ist.“ Das Programm soll künftig Ausbil- dungsbetrieben und Berufsbildungszentren kos- tenfrei überlassen werden, und dort können auch Texte, Tools und Abläufe nach jeweiligem Bedarf frei konfiguriert werden. Virtual Reality (VR) – davon ist Zender über- zeugt – werde sich als weiteres Lernmedium in allen drei großen Bildungsbereichen etablieren: „In der beruflichen Bildung ist VR schon sehr weit verbreitet, in der Hochschulbildung kommt es jetzt zunehmend, und auch in den Schulen sehen wir schon eine Entwicklung.“ Denn mit VR lie- ßen sich vor allem Kosten einsparen und realis- tische Szenarien nachstellen. Andere ausbildende Unternehmen wie die Deutsche Bahn leisten sich ganze Teams von Entwicklern, um ihre Ausbil- dung mit VR zu optimieren. Eingesetzt werde sie hier etwa beimTraining des Kuppelns von Zügen oder bei der Hilfe für körperlich eingeschränkte Fahrgäste durch Zugbegleiter. Silke Richter, IHK-Bereichsleiterin Ausbildungs- beratung, sieht imEinsatz von Augmented Reality (AR) und VR eineWin-win-Situation. „Der Azubi kann im geschützten virtuellen Raum spiele- risch Routinen einüben und sich ausprobieren“, so Richter, „das Unternehmen spart Ressourcen und kann das richtige Verhalten imArbeitsalltag, aber auch in ungewöhnlichen Situationen vermit- teln. Die Qualität der Ausbildung wird dadurch gestärkt.“ Richter ist davon überzeugt, dass es für den Einsatz dieser Instrumente in der Ausbildung noch viel Potenzial gibt. Auch im Berliner Motorradwerk der BMW Group kommt VR in der Ausbildung zum Ein- satz, teilweise auch AR. „Mit VR und AR arbeiten wir berufsübergreifend“, sagt Ausbildungsleiter Harald Tragmann. „Wir lassen bei uns nicht nur virtuell lackieren, sondern erschaffen auch vir- tuelleWelten für Montageprozesse oder Schweiß- arbeiten.“ Angefangen habe man damit vor zwei Jahren. Seine Auszubildenden müssten nicht aufwendig geschult werden. „Die meisten ken- nen diese visuellen Szenarien schon durch ihre Spiele-Welt, machen da fasziniert mit und haben Spaß daran –wir habenmanchmal Mühe, sie vom Rechner zu lösen.“ Von Vorteil sei, dass VR in der Ausbildung nicht nur ungeheuer motiviere, sondern auch Geld spare. „Außerdemmerken wir, dass unsere Auszubildenden selbstbewusster werden und eine wesentlich höhere Eigenverantwortung bekom- men.“ 80 Azubis werden derzeit im BMW Group Werk Berlin ausgebildet. ImABB AusbildungszentrumBerlin (AZB), wo derzeit 779 Azubis von knapp 150 Unternehmen aus Berlin und Brandenburg ausgebildet wer- den, setzt man ebenfalls auf VR und AR, fängt damit aber erst an. „Der Einsatz der AR-Techno- logie im Bereich der Getriebetechnik geht dem- nächst an den Start, und die Schweißsimulato- ren auf VR-Basis befinden sich in Planung“, sagt AZB-Leiter GerdWoweries. „Das spart wertvolle Ressourcen an Gasen undWerkstoffen und ist ein perfektes pädagogisches Konzept, um die ersten Schritte beim Schweißen gefahrlos zu meistern.“ Mit VR und AR soll vor allem in Berufsfel- dern wie Mechatronik, Werkzeug-, Anlagen- und Industriemechanik oder Maschinen- und Anla- genführung gearbeitet werden. „Weil diese Tech- nologien immer mehr den Arbeitsalltag in den Unternehmen bestimmen, müssen die zukünf- tigen Fachkräfte imRahmen der Ausbildung dar- auf vorbereitet werden“, so Woweries.  ■ FOTOS: BMW GROUP, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Stephanie Ackermann, IHK-Ausbildungsberaterin Tel.: 030 / 315 10-805 stephanie.ackermann@ berlin.ihk.de 45 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2021 FACHKRÄFTE | Virtual Reality Harald Tragmann Ausbildungsleiter BMW Group Werk Berlin Unsere Auszubildenden werden selbstbewusster und bekommen eine wesentlich höhere Eigen- verantwortung. Ein Azubi der BMW Group beim virtuellen Lackier- Training. Bevor er beginnt, muss er das Programm, die Brille und die Lackier- pistole einrichten

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